
Vom Militärareal zur Leuchtturmstadt
Die Transformation eines ehemaligen Militärareals in der Barockstadt Mannheim erzählt eine Geschichte, die sich in vielen deutschen Städten wiederholt. Brachliegende Flächen, Denkmalschutz und die drängenden Fragen der Gegenwart – wie schafft man bezahlbaren Wohnraum ohne dabei die Qualität zu opfern? Das Franklin Village liefert Antworten, die regional bedeutsam sind und deutschlandweit Aufmerksamkeit verdienen. Mit fünf Neubauten und einem sensibel erweiterten Bestandsgebäude entstand ein Quartier, das städtebaulich nachhaltiges Denken mit architektonischer Haltung verbindet.
Nachverdichtung mit Gesicht – Das Konzept
Das Franklin Village verkörpert ein architektonisches Credo, das sich durch die aktuelle Baden-Württembergische Landesentwicklungsplanung zieht: Innenentwicklung statt Flächen versiegeln. Doch hier bleibt das Projekt nicht im Methodischen stecken. Um einen geschützten, mit einheimischen Bäumen begrünten Innenhof gruppiert sich das Ensemble. Stützenfrei vorgelagerte Laubengänge ermöglichen spontane Nachbarschaftsbegegnungen – eine bauliche Antwort auf die moderne Frage nach nachbarschaftlichem Zusammenleben. Die farbigen Trennwände und Deckenunterseiten kontrastieren zur grau lasierten Holzfassade und verleihen dem Hof eine heitere, unverwechselbare Atmosphäre.
Besonders regional bedeutsam ist die konsequente Holzbauweise des Projekts. Im Kontext der Baden-Württembergischen Forstwirtschaft und des lokalen Handwerks symbolisiert dies mehr als technische Materialwahl: Es ist ein Statement für regionale Wertschöpfung und CO2-Effizienz. Wenn der Holzbau von Fachleuten aus dem Land realisiert wird, stärkt dies gleichzeitig die lokale Handwerkskultur. Das Projekt zeigt: nachhaltig bedeutet nicht abstrakt, sondern konkret, lokal und wirtschaftlich sinnvoll.
Vielfalt als Grundprinzip
Besonders unter den gegenwärtigen Bedingungen der Wohnungskrise verdient das Programmatische des Franklin Village Aufmerksamkeit. Single-Apartments, klassische Familienwohnungen und Clusterwohnungen mit gemeinschaftlichen Nutzungsbereichen bilden ein Portfolio, das gesellschaftliche Vielfalt nicht bloß verspricht, sondern lebt. Dies entspricht einer regionalen Notwendigkeit, die in den Oberflächenentwicklungsstudien Baden-Württembergs deutlich wird: Der Bedarf an flexiblen Wohnformen wächst kontinuierlich. Pflegefamilien, Patchwork-Konstellationen, Wohngruppen – das Franklin Village antizipiert diese Realität nicht als exotische Ausnahme, sondern als Normalität des urbanen Zusammenlebens.
Für die Planerinnen und Planer Mannheims und der Region hat das Projekt demnach vorbildhafte Qualität. Es demonstriert, dass Dichte und Grün nicht in Widerspruch stehen, dass Kostengünstigkeit und Gestaltungsanspruch koexistieren können und dass Nachhaltigkeit kein Luxusmerkmal sein muss.
Räumliche Lösungen als Angebot
Ein Detail offenbart die Sorgfalt des Entwurfs: Die großzügigen Freitreppen in den Innenhof schaffen ein Wegekontinuum, das nicht nur funktional ist, sondern einen räumlichen Rahmen für gelebte Gemeinschaft bietet. Die Architekten Sauerbruch Hutton haben verstanden, dass Wohnqualität sich nicht in der Privatwohnung erschöpft. Stattdessen wird Gemeinsinn durch Infrastruktur ermöglicht – durch Orte, die Begegnung erlauben, aber nicht erzwingen. Dies ist insbesondere für Mannheim als Industriestadt mit migrationsprägter Bevölkerung bedeutsam. Das Franklin Village könnte ein Modell für weitere Quartiersentwicklungen werden, in denen soziale Durchmischung geplant wird.
Architektonisch überzeugt das Ensemble durch eine klare, unaufgeregte Sprache. Keine stilistische Überzeichnung, keine postmodernen Schnörkel – stattdessen eine kompromisslose Qualität im Holzbau, die zeigt, dass Nachhaltigkeit und Gestaltung Hand in Hand gehen. Für die regionalen Architektenkammer Baden-Württemberg ist dies ein besonders wertvolles Projekt, weil es beweist, dass Dauerhaftigkeit kein Gegensatz zu Innovation darstellt.
Ausstrahlungskraft und Vorbildfunktion
Ob es die Fürther Straße ist oder die Neckarstadt – in Mannheim gibt es zahlreiche Orte, an denen ähnliche Transformationen möglich wären. Das Franklin Village ist weniger ein isoliertes Prestigeprojekt als vielmehr ein Katalysator für Gedankenprozesse. Es zeigt, dass sich der öffentliche Raum nicht von Privatwohnungen trennt, dass Mehrfamilienhaus und Aufenthaltsqualität kein Widerspruch darstellen. Dies ist eine regionalpolitische Botschaft an die Kommunen des Rhein-Neckar-Raums.
Das Franklin Village ist mehr als ein Wohnbauprojekt. Es ist ein Statement für eine zukunftsfähige Stadtgesellschaft: vielfältig, nachhaltig, schön. Mit der Auszeichnung durch den Deutschen Architekturpreis 2025 hat die Jury erkannt, dass vorbildliches Bauen sich nicht in spektakulären Gesten erschöpft, sondern in der subtilen Integration von Nachhaltigkeit, Funktionalität und Ästhetik besteht. Für Mannheim, für Baden-Württemberg und für alle deutschen Städte mit ähnlichen Herausforderungen ist dies eine wichtige Referenz geworden.

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