Baukunst-Brutal modern, brutal gut
© Universal Pictures

Brutal modern, brutal gut

20.01.2025
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stu.ART

The Brutalist – Ein Muss für Architekten

Zwischen Bauhaus-Erbe und brutalem Vermächtnis entfaltet Regisseur Brady Corbet in seinem Golden-Globe-prämierten Filmepos „The Brutalist“ ein faszinierendes Porträt der Nachkriegsarchitektur. Der ab 30. Januar in deutschen Kinos anlaufende Film verdient besondere Aufmerksamkeit – nicht nur wegen seiner beeindruckenden VistaVision-Ästhetik, sondern vor allem wegen seiner tiefgründigen Auseinandersetzung mit Architektur als Spiegel gesellschaftlicher Transformation.

Vom Bauhaus zum Brutalismus

Die fiktive Figur des László Tóth, meisterhaft verkörpert von Adrien Brody, verwebt geschickt biografische Elemente verschiedener Architekten der Moderne. Als Bauhaus-Absolvent und KZ-Überlebender verkörpert er eine Generation von Architekturschaffenden, die ihre europäischen Wurzeln in die amerikanische Nachkriegsgesellschaft einbrachten. Die Parallelen zu Marcel Breuer sind dabei mehr als zufällig – von den charakteristischen Stahlrohrmöbeln bis zur ungarischen Herkunft.

Architektur als Überlebensstrategie

Der Film zeichnet einen bemerkenswerten Entwicklungsbogen: Vom mittellosen Immigranten zum gefeierten Architekten durchläuft Tóth eine Transformation, die eng mit seiner architektonischen Entwicklung verwoben ist. Seine erste Arbeit – die Umgestaltung einer Bibliothek – wird zum Schlüsselmoment. Die von Produktionsdesignerin Judy Beckerkonzipierte Raumschöpfung demonstriert eindrucksvoll, wie modernistische Prinzipien technische Innovation mit ästhetischer Raffinesse verbinden.

Brutalismus als gebautes Trauma

Der zentrale Großbau des Films – ein Komplex aus Bibliothek, Sporthalle, Auditorium und Kapelle – entwickelt sich zum architektonischen Psychogramm. Die monumentalen Betonstructuren spiegeln sowohl persönliche Traumata als auch gesellschaftliche Nachkriegsrealitäten wider. Becker’s Recherchen in KZ-Architektur finden sich in beklemmenden Raumsequenzen wieder – hohe, enge Korridore mit minimaler Belichtung erzeugen eine düstere Atmosphäre, die weit über funktionale Aspekte hinausgeht.

Zeitlose Architektenfragen

Der Film thematisiert zeitlose Fragestellungen des Berufsstands: Wie viel Persönlichkeit darf in Architektur einfließen? Wo verläuft die Grenze zwischen künstlerischer Vision und funktionaler Verantwortung? Tóths Entwicklung vom pragmatischen Modernisten zum kompromisslosen Brutalisten wirft kritische Fragen zur Rolle des Architekten in der Gesellschaft auf.

Architektonische Authentizität

Die technische Umsetzung in analoger VistaVision-Technik – erstmals seit den 1960er Jahren – unterstreicht die historische Dimension des Films. Die Kameraarbeit von Lol Crawley verleiht der Architektur eine fast haptische Präsenz. Besonders bemerkenswert ist die Detailtreue in der Darstellung architektonischer Arbeitsprozesse, von Entwurfsskizzen bis zur Baustellenrealität.

 

Fazit: Mehr als ein Architektenfilm

„The Brutalist“ ist mehr als eine fiktive Architektenbiografie – er ist eine komplexe Reflexion über die Verschränkung von persönlicher Geschichte, gesellschaftlichem Wandel und architektonischem Ausdruck. Der Film bietet Architekturschaffenden und -interessierten gleichermaßen wertvolle Denkanstöße zur Rolle der Architektur in Vergangenheit und Gegenwart.