
Zwischen Eklektizismus und Erneuerung: Die Biennale 2025 im Zeichen globaler Perspektiven
Wenn sich vom 10. Mai bis zum 23. November 2025 wieder die Tore der Architekturbiennale in Venedig öffnen, steht die Lagunenstadt ganz im Zeichen der Interaktion zwischen Mensch, Natur und Technologie. Kurator Carlo Ratti verleiht der 19. Ausgabe mit dem Titel Intelligens. Natural. Artificial. Collective. eine zukunftsgewandte Leitlinie – und setzt dabei auf interdisziplinäre Visionen, die sich auch in den diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträgern widerspiegeln.
Goldene Löwen für ein Lebenswerk – zwischen Poesie und Technik
Zwei Persönlichkeiten werden 2025 mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk geehrt: der 2024 verstorbene Architekt Italo Rota sowie die amerikanische Philosophin Donna Haraway. Die Entscheidung ist nicht nur eine Würdigung individueller Lebensleistungen, sondern ein programmatischer Kommentar zur Richtung der Architekturdiskussion.
Italo Rota war ein Meister der Verbindung. Seine Werke überschreiten Grenzen zwischen Architektur, Kunst, Wissenschaft und Technologie – und schöpfen aus einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit Größen wie Franco Albini, Gae Aulenti oder Vittorio Gregotti. Besonders markant bleibt Rotas Beitrag zur Neugestaltung des Musée d’Orsay oder sein Lichtkonzept für Notre-Dame in Paris. Seine Werke vereinen analytische Präzision mit poetischer Vision. Mit dem Goldenen Löwen wird dieser multidisziplinäre Eklektizismus posthum gewürdigt.
Die Auszeichnung nimmt am 10. Mai seine Partnerin Margherita Palli Rota entgegen, selbst Bühnenbildnerin und Mitinitiatorin des Biennale-Projekts Material Bank: Matters Make Sense, das architektonische Materialinnovationen ins Zentrum rückt.
Donna Haraway hingegen betritt das architektonische Feld von einer anderen Seite – ausgehend von feministischer Erkenntniskritik, Technowissenschaften und Umweltphilosophie. Ihre Idee des Chthuluzäns, als alternative Erzählung zum Anthropozän, plädiert für ein Zeitalter der Ko-Existenz zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren. Dass Haraway diesen Goldenen Löwen erhält, ist eine Einladung, Architektur auch als Erzählung und Reflexionsraum zu begreifen.
Der Qatar Pavilion: Architektur als diplomatischer Brückenschlag
Für einen historischen Moment sorgt das Emirat Katar. Mit dem neuen Qatar Pavilion erhält die MENASA-Region erstmals einen dauerhaften Standort im Giardini – und tritt damit in einen exklusiven Kreis von nur 30 Ländern mit eigenem Pavillon ein.
Realisiert wird das Projekt von der libanesisch-französischen Architektin Lina Ghotmeh. Ihr Entwurf versteht sich als subtile Antwort auf den Kontext: Der Pavillon fügt sich nicht nur harmonisch in die parkähnliche Landschaft, sondern öffnet sich auch architektonisch als „kulturelle Brücke“ zwischen Orient und Okzident.
Die Wahl des Standorts – Spazio Esedra, direkt östlich des Book Pavilion – unterstreicht die symbolische Bedeutung. Einst Ort der Preisverleihungen, wird das Areal nun selbst zum Akteur einer geopolitisch-kulturellen Erzählung.
Beyti Beytak: Gastfreundschaft als architektonische Geste
Die erste Bespielung des noch unvollendeten Pavillons erfolgt im Rahmen der Ausstellung Beyti Beytak. My home is your home. La mia casa è la tua casa. Kuratiert vom zukünftigen Art Mill Museum und umgesetzt mit über zwanzig Architektinnen und Architekten aus der MENASA-Region, reflektiert die Schau Traditionen der Gastfreundschaft und deren Übersetzung in zeitgenössische Architektur.
Im Zentrum steht die Installation Community Centre von Yasmeen Lari, einer pakistanischen Architektin mit humanitärer Ausrichtung. Ihr Werk verbindet lokale Bauweisen mit globaler Relevanz – ganz im Sinne der Biennale-Themen, die kollektive Intelligenz und das Ineinandergreifen von Natürlichkeit und Virtualität ausloten.
Die Ausstellung verteilt sich über den Giardini und den Palazzo Franchetti und bringt unter anderem Werke von Raj Rewal, Marina Tabassum, Sameep Padora und Liz Diller nach Venedig – darunter viele, die zum ersten Mal an der Biennale vertreten sind.
Kultur als Strategie – Diplomatie durch Raumgestaltung
Mit dem Bau des Pavillons und der kuratorischen Präsenz setzt Katar ein deutliches Zeichen: Architektur wird zum Werkzeug diplomatischer Identität. Sheikha Al Mayassa, Vorsitzende der Qatar Museums, sieht in dem Projekt eine „unvergleichliche Plattform für die kreative Stimme unserer Nation“.
Auch Pietrangelo Buttafuoco, Präsident der Biennale, betont die Bedeutung des Schritts und verweist auf die lange Tradition Venedigs als Ort des kulturellen Austauschs zwischen Europa und der arabischen Welt.
Fazit: Die Biennale 2025 als Dialog der Disziplinen
Die Architekturbiennale 2025 verzichtet auf laute Gesten. Stattdessen eröffnet sie Räume für tiefergehenden Dialog – zwischen Architektur und Philosophie, zwischen Regionen und Generationen. Mit der Ehrung Italo Rotas und Donna Haraways sowie dem Einzug Katars in die Giardini wird die Biennale selbst zum Ausdruck einer neuen, offenen Architekturkultur: vernetzt, vielfältig, zukunftsgewandt.

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