
Planen ohne Preis? Warum die HOAI-Reform eine Mindestgrenze braucht
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Mit der geplanten Reform der Honorarordnung für Architektinnen und Architekten (HOAI) steht ein bedeutendes Instrument der Baukultur erneut zur Debatte. Die politischen Signale sind gemischt, die wirtschaftlichen Notwendigkeiten hingegen eindeutig: Eine Anpassung der Honorare ist längst überfällig. Doch ein entscheidender Punkt droht im politischen Prozess unterzugehen – die Verbindlichkeit von Mindestsätzen.
Reformdruck trotz Koalitionsvakuum
Obwohl die HOAI im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung nicht explizit genannt wird, erklärt BAK-Präsidentin Andrea Gebhard, dass die Reform trotzdem zeitnah kommen soll. Die fachliche Grundlage dafür ist gelegt. Ein von Wirtschaftsminister Habeck beauftragtes Gutachten schlägt Honorarsteigerungen von bis zu 88 Prozent vor. Es reflektiert die gestiegenen Büro- und Personalkosten sowie die zunehmende Komplexität planerischer Leistungen – von der Flächenentsiegelung bis zur Umsetzung neuer DIN-Normen.
Politische Zeichen, juristische Unsicherheiten
Doch selbst wenn die neuen Sätze in Kraft treten: Ohne verbindliche Untergrenzen bleiben Architektinnen und Architekten in einem marktgetriebenen Wettbewerb gefangen. Bereits 2019 erklärte der Europäische Gerichtshof die verpflichtenden Mindestsätze der HOAI für unvereinbar mit europäischem Recht – eine Entscheidung, die seither zu einer schleichenden Entwertung der Honorarordnung geführt hat. Besonders private Auftraggebende ignorieren die HOAI zunehmend: Lag der Anteil HOAI-basierter Honorare 2016 noch bei rund 50 Prozent, ist er inzwischen auf unter 13 Prozent gefallen.
Gefährliche Entwertung
Ohne eine Rückkehr zu verpflichtenden Mindestwerten verkommt die HOAI zur bloßen Empfehlung. Preiswettbewerb ersetzt Qualitätswettbewerb, der Wert der Planung sinkt. Eine unregulierte Preisgestaltung kann dabei nicht nur die wirtschaftliche Grundlage von Planungsbüros gefährden, sondern langfristig auch die Baukultur beschädigen. Denn wer zu Dumpingpreisen arbeitet, spart an Gründlichkeit, Innovation und Nachhaltigkeit.
Neues Gutachten – alte Kritik
Das neue Honorargutachten adressiert viele Missstände: Anhebung der Tafelwerte, Anerkennung neuer Leistungsbilder wie dem „städtebaulichen Entwurf“, stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten. Auch die lange überfällige Dynamisierung der Flächenplanungshonorare soll kommen. Und dennoch: Ohne verpflichtenden Charakter fehlt der Reform das Rückgrat.
Fehlende Wertschätzung für Planende
Andrea Gebhard bringt es auf den Punkt: „Die Planungswirklichkeit hat sich seit 2013 immens weiterentwickelt, die Vergütung überhaupt nicht.“ Während Baukosten, Anforderungen und Risiken steigen, stagnieren die Honorare. Die Folge ist eine strukturelle Schwächung eines ganzen Berufsstandes – und damit der Planungskultur insgesamt.
Was jetzt auf dem Spiel steht
Würde eine HOAI-Reform ohne verpflichtende Mindestsätze verabschiedet, bliebe sie ein zahnloser Tiger. Gerade Bauherrinnen und Bauherren, die auf der Suche nach günstigen Angeboten sind, könnten mit der Reform leben – müssten sie aber nicht. Ein verbindlicher Rahmen wäre hingegen ein starkes Zeichen: Für Qualität. Für Planung. Für Zukunft.
Fazit
Die Novelle der HOAI ist überfällig und technisch sinnvoll vorbereitet. Doch ihre Wirksamkeit steht und fällt mit der Verbindlichkeit. Wer glaubt, durch freiwillige Empfehlungen eine neue Planungskultur zu begründen, irrt. Qualität braucht einen Preis – und der braucht klare Regeln.

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