Erwin Wurm: Skulpturen des Alltäglichen

Fette Autos und schmale Häuser: Erwin Wurms absurde Welt erobert die Albertina

Die Albertina Modern in Wien präsentiert anlässlich des 70. Geburtstags von Erwin Wurm eine umfassende Retrospektive des österreichischen Künstlers. Die Ausstellung, die vom 13. September 2024 bis zum 23. Februar 2025 zu sehen ist, bietet einen tiefen Einblick in das vielseitige Œuvre eines der bekanntesten internationalen Gegenwartskünstler.

Wurm, geboren 1954 in Bruck an der Mur, hat sich in seiner langen Karriere einen Namen als innovativer Bildhauergemacht. Seine Werke zeichnen sich durch eine unkonventionelle Herangehensweise an die Skulptur aus, die oft humorvoll und absurd erscheint, aber stets tiefgründige Fragen zur Gesellschaft und zum menschlichen Dasein aufwirft.

Die Ausstellung präsentiert Hauptwerke aus allen Schaffensperioden des Künstlers. Von den frühen Holz- und Staubskulpturen der 1980er Jahre bis hin zu seinen neuesten Arbeiten spannt sich ein faszinierender Bogen. Besonders hervorzuheben sind Wurms „One Minute Sculptures“, bei denen Besucherinnen und Besucher durch die Erfüllung von gezeichneten oder geschriebenen Arbeitsaufträgen selbst zu einem Teil des Kunstwerks werden. Diese performative Erweiterung des Skulpturenbegriffs hat Wurm internationale Bekanntheit eingebracht.

Architektonische Aspekte in Wurms Werk

Als Architektinnen und Architekten finden wir besonders Wurms Auseinandersetzung mit architektonischen Elementen interessant. Seine „Narrow House“ beispielsweise, eine stark komprimierte Version seines Elternhauses, stellt kritische Fragen zur Wohnkultur und zum Verhältnis zwischen Mensch und gebauter Umwelt. Diese Arbeit zeigt eindrucksvoll, wie Wurm alltägliche Objekte und Strukturen verfremdet und dadurch neue Perspektiven eröffnet.

Auch Wurms „Fat Houses“ sind aus architektonischer Sicht faszinierend. Diese aufgeblähten Versionen gewöhnlicher Häuser hinterfragen unsere Vorstellungen von Raum, Form und Funktion. Sie regen zum Nachdenken über Konsumverhalten und gesellschaftliche Werte an, indem sie vertraute Formen ins Groteske verzerren.

Kritischer Blick auf die Konsumgesellschaft

Wurms Werk ist durchdrungen von einer kritischen Auseinandersetzung mit der Konsumgesellschaft. Seine „Fat Cars“, überproportional aufgeblähte Automodelle, und die „Tiny Houses“, winzige Versionen von Wohnhäusern, thematisieren auf humorvolle Weise die manipulativen Mechanismen unserer konsumorientierten Gesellschaft und deren Auswirkungen.

Besonders interessant sind Wurms Skulpturen alltäglicher Gegenstände wie Gurken, Semmeln und Würstel aus Marmor oder überdimensionierte Luxushandtaschen auf langen Beinen. Diese Arbeiten laden dazu ein, unsere Beziehung zu Alltagsgegenständen und Statussymbolen zu überdenken.

Vielfalt der künstlerischen Medien

Die Ausstellung in der Albertina Modern zeigt Wurms Vielseitigkeit in allen künstlerischen Medien. Neben Skulpturen sind Zeichnungen, Arbeitsanweisungen und -dokumentationen, Videos, Objekte, Fotografien und Gemälde zu sehen. Diese Vielfalt ermöglicht es den Besucherinnen und Besuchern, die komplexe Gedankenwelt des Künstlers aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Wurms Ansatz, das Paradoxe und Absurde unserer Welt zu beleuchten, spiegelt sich in allen präsentierten Werken wider. Durch verschobene Größenverhältnisse, ungewöhnliche Blickwinkel und einen unkonventionellen Zugang zu alltäglichen Objekten eröffnet er neue Bedeutungsperspektiven und Erkenntnisse.

Künstlerischer Werdegang und Einflüsse

Erwin Wurm studierte zunächst Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Graz, bevor er sich der Bildhauerei am Mozarteum in Salzburg und an der Universität für angewandte Kunst in Wien widmete. Seine künstlerische Entwicklung war geprägt von der Auseinandersetzung mit dem Absurden und Paradoxen, inspiriert von Autoren wie Samuel Beckett, Eugène Ionesco und Thomas Bernhard.

Wurms Arbeiten haben nicht nur in der Kunstwelt, sondern auch in der Popkultur Spuren hinterlassen. So inspirierte seine „One Minute Sculptures“ beispielsweise das Musikvideo der Red Hot Chili Peppers zu ihrem Song „Can’t Stop“.

Fazit und Empfehlung

Die Retrospektive in der Albertina Modern bietet eine einzigartige Gelegenheit, das Werk eines der bedeutendsten österreichischen Künstler der Gegenwart in seiner ganzen Bandbreite zu erleben. Erwin Wurms humorvolle und zugleich tiefgründige Auseinandersetzung mit Alltag, Konsum und Gesellschaft macht diese Ausstellung zu einem Muss für alle, die sich für zeitgenössische Kunst und kritische Reflexionen über unsere Lebenswelt interessieren.

Die Ausstellung „Erwin Wurm – Die Retrospektive zum 70. Geburtstag“ ist vom 13. September 2024 bis zum 23. Februar 2025 in der Albertina Modern in Wien zu sehen. Die Öffnungszeiten sind täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr, mittwochs und freitags bis 21:00 Uhr. Ein Besuch ist unbedingt zu empfehlen, um die faszinierende Welt von Erwin Wurm zu entdecken und über die eigene Wahrnehmung des Alltäglichen nachzudenken.