Frauen in der Architektur: Ein Studium der Gegensätze
Der Frauenanteil im Architekturstudium in Deutschland hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Bereits 2006 wurde erstmals die Parität zwischen Frauen und Männern erreicht, und seitdem überwiegt die Zahl der Frauen. Im Wintersemester 2021/2022 studierten 23.585 Frauen Architektur, während es nur 17.985 männliche Studierende gab. Damit stellen Frauen aktuell etwa 58% der Studierenden im Fach Architektur.
Doch trotz dieser beeindruckenden Zahlen ist der Übergang von der akademischen Ausbildung in die Berufspraxis für viele Frauen nach wie vor eine Herausforderung. Hier spiegelt sich die hohe Anzahl an weiblichen Studierenden nicht wider. In der Berufspraxis sind nur etwa 30% der Architektinnen und Architekten weiblich. Bei den größten Architekturbüros in Deutschland war 2017 kein einziges dabei, das von einer Frau oder einem Frauenteam geführt wurde.
Diskrepanz zwischen Studium und Beruf
Warum schaffen so viele Frauen den Sprung in die Berufspraxis nicht? Die Ursachen sind vielfältig und tief verwurzelt in traditionellen Geschlechterrollen und beruflichen Strukturen. Ein zentrales Problem ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die für viele Frauen nach wie vor eine erhebliche Herausforderung darstellt. Dies ist besonders relevant in einem Berufsfeld, das oft lange Arbeitszeiten und hohe Flexibilität erfordert.
Darüber hinaus prägen weiterhin traditionelle, als „männlich“ kodierte Werte den Berufsalltag in der Architektur. Diese Werte beeinflussen nicht nur die Art und Weise, wie Arbeit organisiert wird, sondern auch, welche Kompetenzen als besonders wertvoll erachtet werden. Frauen sehen sich dabei oft mit geschlechtsspezifischen Zuweisungen von Kompetenzen konfrontiert, die sie benachteiligen können.
Strukturelle Hindernisse
Ein weiteres Problem ist das Fehlen weiblicher Vorbilder in Führungspositionen. Da die Mehrheit der großen Architekturbüros von Männern geleitet wird, fehlt es an sichtbaren Rollenmodellen für junge Architektinnen. Dies verstärkt den Eindruck, dass es für Frauen schwieriger ist, in der Architektur Karriere zu machen.
Gleichzeitig zeigt sich, dass Frauen trotz ihrer starken Präsenz im Studium und in den ersten Berufsjahren oft im mittleren Karriereabschnitt zurückfallen. Viele entscheiden sich in dieser Phase dafür, weniger anspruchsvolle Positionen einzunehmen oder die Berufstätigkeit ganz zu unterbrechen, um familiäre Verpflichtungen zu erfüllen.
Lösungsansätze und Ausblick
Wie lässt sich diese Diskrepanz zwischen Studium und Berufspraxis überwinden? Eine Möglichkeit ist die Förderung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flexiblere Arbeitszeitmodelle und bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Auch die bewusste Förderung von Frauen in Führungspositionen könnte dazu beitragen, den Frauenanteil in der Architektur zu erhöhen.
Zudem ist es wichtig, die bestehenden Geschlechterstereotype in der Branche zu hinterfragen und zu verändern. Dies erfordert eine gezielte Sensibilisierung und Ausbildung von Führungskräften sowie eine Änderung der Unternehmenskultur in vielen Architekturbüros.
Insgesamt zeigt sich, dass der hohe Frauenanteil im Architekturstudium ein positives Zeichen ist, aber noch nicht ausreicht, um eine echte Gleichstellung in der Berufspraxis zu erreichen. Hier sind weitere Anstrengungen notwendig, um den Übergang vom Studium in den Beruf zu erleichtern und Frauen in der Architektur zu stärken.
Mit einer gezielten Förderung und strukturellen Veränderungen könnte es gelingen, die Architekturbrancheinklusiver und ausgewogener zu gestalten. Dies würde nicht nur den Frauen in der Architektur zugutekommen, sondern auch der gesamten Branche, die von einer größeren Vielfalt an Perspektiven und Ideen profitieren würde.