Von Möbeltempeln zu Multifunktionszentren: Österreichs Städte im Umbruch
Die Nachnutzung leerstehender Kika/Leiner-Möbelhäuser steht sinnbildlich für die Herausforderungen und Chancen der urbanen Transformation in Österreich. Mit der Schließung von 23 Filialen im Sommer 2023 eröffnet sich ein Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen, städtebaulichen Visionen und nachhaltiger Flächennutzung.
Ein vielschichtiger Strukturwandel
Die Schließung von Kika/Leiner hat ein immenses Potenzial an leerstehenden Gewerbeflächen freigesetzt. Städte wie Saalfelden, Villach oder Feldbach müssen nun entscheiden, ob und wie diese Standorte in die lokale Entwicklung eingebunden werden. Dabei geht es um mehr als nur wirtschaftliche Aspekte: Die richtige Nutzung kann entscheidend zur Revitalisierung von Stadtzentren, zur Vermeidung von Leerstand und zur Förderung der regionalen Identität beitragen.
Während die Immobilien teilweise bereits von der XXXLutz-Gruppe oder Projektentwicklern wie Supernovaübernommen wurden, fehlen oft konkrete Nutzungskonzepte. Die Spannbreite der Überlegungen reicht von Einkaufszentren über Wohnbauprojekte bis hin zu kreativen Mischkonzepten mit gastronomischen, kulturellen und sozialen Angeboten.
Saalfelden: Zwischen Tradition und Moderne
Das Beispiel Saalfelden zeigt, wie schwierig der Balanceakt zwischen Wachstum und Erhalt lokaler Strukturen ist. Die Idee, aus der ehemaligen Kika-Filiale ein Einkaufszentrum mit Multi-Use-Ansatz zu schaffen, stieß auf Widerstand. Bürgermeister Erich Rohrmoser verweist auf den Masterplan Saalfelden, der die Belebung der Innenstadt priorisiert. Eine Ansiedlung am Ortsrand würde diesen Bemühungen entgegenstehen. Die Debatte illustriert ein grundlegendes Dilemma moderner Stadtentwicklung: der Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Rentabilität.
Villach: Von der Handelsfläche zur Freizeitdestination
Die Grazer Supernova-Gruppe verfolgt in Villach einen progressiveren Ansatz. Dort plant man, die ehemalige Leiner-Filiale in eine Mischimmobilie mit Einzelhandel und Freizeitangeboten zu transformieren. Indoor-Golf, Squash oder Paintball stehen zur Diskussion. Dieser Ansatz spiegelt den Trend wider, traditionelle Handelsflächen durch Erlebniswelten zu ergänzen, die nicht nur konsum-, sondern auch freizeitorientiert sind. Der Standort soll so für Touristen und Einheimische gleichermaßen attraktiv werden.
Feldbach: Gesundheit und Gewerbe unter einem Dach
Im steirischen Feldbach wird der multifunktionale Gedanke ebenfalls konsequent verfolgt. Der Investor Erwin Teller setzt auf einen Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Büroflächen und sogar Gesundheitseinrichtungen. Doch auch hier gibt es Risiken: Experten warnen davor, zentrale medizinische Dienste aus den Stadtzentren abzuziehen. Feldbach steht exemplarisch für die Herausforderung, große Flächen nachhaltig und gemeinwohlorientiert zu nutzen.
Herausforderungen der Nachnutzung
Die Transformation großer Einzelhandelsflächen erfordert umfassende Planung und Weitsicht. Einige der drängendsten Herausforderungen:
- Zonenwidmung und Genehmigungen: In vielen Fällen blockieren rechtliche Vorgaben, wie etwa Raumordnungsgesetze, flexible Nachnutzungskonzepte.
- Finanzielle Machbarkeit: Die Renovierung und Umgestaltung der Gebäude ist teuer. Ohne klaren wirtschaftlichen Nutzen sind Investitionen oft schwer zu rechtfertigen.
- Nachhaltigkeit: Die Integration umweltfreundlicher Elemente wie Energieeffizienz oder Kreislaufwirtschaft wird zunehmend gefordert.
- Soziale Akzeptanz: Umwidmungsprojekte müssen die Bedürfnisse der Anwohnerinnen und Anwohner berücksichtigen, um Widerstand zu vermeiden.
- Langfristige Perspektive: Erfolgreiche Projekte benötigen eine Vision, die nicht nur aktuellen, sondern auch zukünftigen Trends gerecht wird.
Zwischen Vision und Realität
Die Nachnutzung der Kika/Leiner-Standorte symbolisiert eine Neuausrichtung der urbanen Planung in Österreich. Städte, Investoren und Gemeinden stehen vor der Aufgabe, innovative Lösungen zu finden, die gleichermaßen wirtschaftlich tragfähig, nachhaltig und gesellschaftlich akzeptiert sind.
Am Ende bleibt die Frage, ob es gelingt, aus den einstigen Möbelhäusern Leuchtturmprojekte für moderne Stadtentwicklung zu machen – oder ob diese Standorte in den Strudel von Kompromissen, Widerständen und fehlender Finanzierung geraten. Eines ist sicher: Die Zukunft dieser Immobilien wird die städtische Landschaft Österreichs prägen.