Baukunst- Mehr sparen mit weniger Ausbau? Was die neue Energiewende-Strategie taugt
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Mehr sparen mit weniger Ausbau? Was die neue Energiewende-Strategie taugt

21.04.2025
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Ignatz Wrobel

Mehr Strom, weniger Kosten – Wie clevere Energiepolitik Milliarden sparen kann

Eine Revolution aus der Steckdose

Der Strompreis bleibt ein politisches Reizthema – und das aus gutem Grund. Zwei aktuelle Studien zeigen nun eindrücklich, dass Deutschland und Europa enorme Einsparpotenziale im Energiesektor bergen – vorausgesetzt, man setzt auf Technologie und Realitätssinn statt auf Wunschdenken. Im Zentrum stehen dabei zwei Faktoren: die Nutzung von Elektroautos als mobile Stromspeicher und ein nüchtern kalkulierter Infrastrukturausbau.

E-Autos als Stromspeicher: Das Netz aus Batterien

Elektroautos verbringen rund 95 Prozent ihrer Zeit im Stillstand. Genau das macht sie zu einem potenziell gigantischen Netz aus Stromspeichern. Die Idee: Tagsüber laden die Fahrzeuge überschüssigen Wind- und Solarstrom, abends speisen sie diesen wieder ins Netz ein – das sogenannte bidirektionale Laden. Laut einer Studie der Fraunhofer-Institute ISE und ISI könnte dieses Verfahren die europäischen Netzkosten bis 2040 um bis zu 100 Milliarden Eurosenken .

Besonders attraktiv wird das Modell für Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern. Sie könnten den gespeicherten Strom über Nacht im Haushalt nutzen (»Vehicle to Home«) und so jährlich bis zu 700 Euro sparen. So avanciert das E-Auto zur privaten Powerbank. Doch wie so oft steckt der Teufel im technischen Detail: Unterschiede bei der Ladeinfrastruktur, fehlende Normierungen und eine bislang unklare Regulierung bremsen den Fortschritt. Wirtschaftsminister Robert Habeckkündigte jedoch an, bidirektionales Laden ab 2025 marktfähig machen zu wollen. Es wäre ein echter Hebel für mehr Flexibilität im Stromnetz.

Kosten senken durch realistische Ziele

Parallel dazu legt die Boston Consulting Group (BCG) im Auftrag des BDI eine Studie vor, die mit noch ambitionierteren Zahlen aufwartet: Deutschland könne seine Energiewende bis 2035 um 300 Milliarden Euro günstiger gestalten, ohne die Klimaziele aus dem Blick zu verlieren . Die zentrale Forderung: Die Ausbauziele von Erneuerbaren und Infrastruktur müssen an die tatsächliche Nachfrage angepasst werden.

Denn viele Annahmen, auf denen die bisherigen Pläne beruhen – etwa 15 Millionen E-Autos bis 2030 oder zehn Gigawatt grüner Wasserstoffproduktion – gelten inzwischen als unrealistisch. Stattdessen schlägt die Studie vor, weniger auf teure Offshore-Windkraft oder importabhängigen Wasserstoff zu setzen und vermehrt auf günstigere Alternativen wie Batterien oder CO₂-Speicherung.

Infrastruktur: Teuer vergraben oder günstig gedacht?

Ein weiterer Kostentreiber: der gesetzlich vorgeschriebene unterirdische Ausbau der Übertragungsnetze. Diese Maßnahme sollte Bürgerproteste vermeiden, verteuert aber das Vorhaben massiv. Hier bietet sich ein kluges Abwägen zwischen gesellschaftlicher Akzeptanz und ökonomischer Vernunft an – nicht alles, was unter der Erde verschwindet, ist langfristig gut investiertes Geld.

Industriestandort unter Druck

Die hohe Stromkostenlast ist nicht nur ein Problem für Haushalte, sondern bedroht zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Strompreise doppelt so hoch wie im Ausland, Erdgaspreise fünfmal so teuer – das schwächt den Standort Deutschland erheblich. Die Studienautoren fordern daher ein wirtschaftliches Umdenken: Eine realistische, kostenbewusste Energiewende sei kein Rückschritt, sondern ein strategischer Fortschritt.

Visionen mit Bodenhaftung

Der Weg zur bezahlbaren, grünen Energie führt nicht über dogmatische Zielvorgaben, sondern über smarte Technologien und realistische Planungen. Die Studien machen Hoffnung: Strom muss nicht unbezahlbar bleiben – wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bereit sind, ihn neu zu denken.