Baukunst - Wasserenthärtung ohne Salz - Zwischen Umweltversprechen und Realitätscheck
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Wasserenthärtung ohne Salz – Zwischen Umweltversprechen und Realitätscheck

18.06.2025
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Ignatz Wrobel

Kalifornisches Vorbild trifft deutsche Skepsis

Arnold Schwarzeneggers Gesetzesinitiative in Kalifornien mag medienwirksam klingen, doch die praktische Umsetzung gestaltet sich komplexer. Das Salzverbot greift erst bei überschrittenen Chloridgrenzwerten – ein Kriterium, das in deutschen Haushalten selten erreicht wird. Die Brüder Wilk aus Bensheim nutzen diese kalifornische Referenz geschickt für ihre Vermarktungsstrategie, verschweigen aber, dass deutsche Umweltbehörden bislang keine vergleichbaren Regulierungsschritte eingeleitet haben.

Die Behauptung, 100 Kilogramm Salz pro Einfamilienhaus seien die Regel, bedarf einer differenzierten Betrachtung. Diese Zahlen gelten nur bei maximaler Anlagennutzung und sehr hartem Wasser. Durchschnittshaushalte in Deutschland verbrauchen deutlich geringere Mengen, was die Umweltargumentation relativiert.

Bewährte Technologie oder cleveres Marketing?

„Die Technologie, die wir verwenden, ist seit Jahrzehnten bekannt“, gibt Maximilian Wilk offen zu. Diese Ehrlichkeit wirft Fragen auf: Warum etablierte sich die Impfkristallbildung nicht bereits früher, wenn sie derart überlegen ist? Die Antwort liegt in den physikalischen Grenzen des Verfahrens, die Anbieter gerne übersehen.

Anders als bei Ionentauschern lässt sich der Erfolg salzfreier Systeme nicht messbar nachweisen. Wasserhärte bleibt unverändert, Kalkgehalt ebenso. Lediglich das Ablagerungsverhalten soll sich ändern – ein Versprechen, das sich schwer verifizieren lässt. Die Stiftung Warentest bezeichnete physikalische Entkalkungsanlagen bereits im Jahr 2000 als „ein Schlag ins Wasser“.

Fragwürdige Erfolgsversprechen

Aqon Pure bewirbt seine Katalysatoren als „wartungsfrei und einfach einzubauen“ – Behauptungen, die kritisch zu hinterfragen sind. Jedes System unterliegt Verschleiß, besonders bei direktem Wasserkontakt. Die versprochene Wartungsfreiheit dürfte eher Marketing als Realität sein.

Der Preis von „knapp unter 1800 Euro inklusive Installation“ erscheint zunächst attraktiv. Versteckte Folgekosten bleiben jedoch unklar: Wie lange halten die Katalysatoren? Welche Garantieleistungen bietet das Unternehmen? Diese Fragen beantworten weder die Produktbeschreibungen noch der FAZ-Artikel befriedigend.

Wissenschaftliche Kontroversen ignoriert

Die Wirksamkeit salzfreier Wasserenthärtung bleibt wissenschaftlich umstritten. Während Hersteller beeindruckende Wirkungsgrade versprechen, kommen unabhängige Studien zu anderen Ergebnissen. Die NSF bietet derzeit keine Zertifizierung für diese Systeme an – ein Umstand, der nachdenklich stimmt.

Besonders problematisch: Viele Anbieter vermischen verschiedene Technologien und suggerieren identische Wirkungsweisen. Template Assisted Crystallization (TAC), Impfkristallbildung und magnetische Verfahren werden oft in einen Topf geworfen, obwohl sie fundamental unterschiedliche Ansätze verfolgen.

Marktdynamik und Wettbewerbsdruck

Aqon Pure konnte 2023 einen Umsatz von 14 Millionen Euro erzielen, musste jedoch 2024 Rückschläge verkraften. Das Unternehmen hatte einen misslungenen Relaunch des Onlineauftritts hinter sich und dabei eine mittlere sechsstellige Summe förmlich versenkt. Diese Transparenz ist bemerkenswert, zeigt aber auch die Herausforderungen des jungen Marktes.

„Der Wettbewerb lernt, und dem mussten wir uns anpassen“, erklärt Maximilian Wilk den steigenden Konkurrenzdruck. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass der Markt für salzfreie Wasserenthärtung zunehmend umkämpft wird – ein Indiz für wachsende Skepsis bei Verbrauchern und Fachbetrieben.

Grenzen der Innovation verschleiert

Die Metapher vom „E-Auto der Wasserenthärtung“ klingt eingängig, verschleiert aber die physikalischen Grenzen des Verfahrens. Während Elektroautos messbare Vorteile bei Emissionen und Effizienz bieten, bleiben die Erfolge salzfreier Wasserenthärtung weitgehend unsichtbar.

Besonders bei sehr hartem Wasser stoßen alternative Verfahren an ihre Grenzen. Die Template Assisted Crystallization-Behandlung bietet zwar hohe Leistung und reduziert über 90% der Kalkablagerungen – verhindert aber die Kalkbildung nicht vollständig. Diese Einschränkung erwähnen Anbieter selten prominent.

Politische Instrumentalisierung

„Wir wollen keinen künstlichen Hype entfachen“, betont Maximilian Wilk – und betreibt gleichzeitig geschickte Lobbyarbeit. Der Verweis auf Schwarzeneggers Umweltpolitik und das Fischsterben an der Oder zielt auf emotionale Reaktionen ab, nicht auf sachliche Argumentation.

Die bewusste Distanzierung von staatlichen Förderungen wirkt zunächst sympathisch, könnte aber auch strategischen Kalkül folgen: Möglicherweise erfüllen die Systeme nicht die Kriterien für Umweltförderungen, weshalb man politische Unterstützung gar nicht erst anstrebt.

Verbraucherrisiken und Rechtslage

Für Bauherren und Immobilienbesitzer ergeben sich erhebliche Risiken. Die versprochenen Kosteneinsparungen lassen sich nicht vorab kalkulieren, da die Wirksamkeit unvorhersagbar bleibt. Garantieansprüche bei ausbleibendem Erfolg sind rechtlich schwer durchsetzbar.

Handwerksbetriebe bewegen sich in einer Grauzone: Während sie für die Installation herkömmlicher Ionentauscher umfassende Erfahrungswerte besitzen, fehlen bei salzfreien Systemen langfristige Praxisdaten. Die Haftung bei Schadensfällen bleibt ungeklärt.

Realistische Markteinschätzung

Die ambitionierten Wachstumsziele von 100 Millionen Euro bis 2030 erscheinen vor diesem Hintergrund optimistisch. Aqon Pure müsste seinen Umsatz verfünffachen – in einem Markt, der zunehmend umkämpft und regulatorisch unsicher ist.

„Auch in Deutschland ist der Zustand der Gewässer superschlecht“, argumentiert Konstantin Wilk. Diese pauschale Aussage vernachlässigt jedoch, dass Chloridbelastung nur einen von vielen Faktoren darstellt. Landwirtschaftliche Düngung und industrielle Einleitungen tragen weit stärker zur Gewässerbelastung bei als private Wasserenthärtung.

Fazit: Vorsicht vor Heilsversprechen

Salzfreie Wasserenthärtung mag ökologische Vorteile bieten, doch die Branche übertreibt systematisch ihre Möglichkeiten. Verbraucher sollten skeptisch bleiben und konkrete Leistungsgarantien einfordern. Die Technologie eignet sich möglicherweise für spezielle Anwendungen, ersetzt aber nicht pauschal bewährte Verfahren.

Für die Baubranche bedeutet dies: Salzfreie Systeme können als Ergänzung zu etablierten Lösungen dienen, sollten aber nicht als Allheilmittel betrachtet werden. Eine seriöse Beratung muss Grenzen und Risiken transparent kommunizieren – etwas, was der derzeit stark marketinggetriebene Markt vermissen lässt.