Chancen und Risiken des zirkulären Holzbaus
Die Baubranche steht vor einem Paradigmenwechsel. Der zirkuläre Holzbau verspricht nicht nur Nachhaltigkeit, sondern auch eine Revolution in der Art, wie wir Gebäude errichten und nutzen. Doch wie bei jeder Innovation gibt es Licht und Schatten.
Das Prinzip der Wiederverwendung
Zirkulärer Holzbau bedeutet mehr als nur die Verwendung eines nachwachsenden Rohstoffs. Es geht um die konsequente Wiederverwendung von Bauteilen über mehrere Lebenszyklen hinweg.Diese Vision klingt verlockend, stößt in der Praxis jedoch auf Hindernisse. Das größte Problem: die fehlende Sortenreinheit beim Rückbau. Holz ist oft mit anderen Materialien verbunden, was die Wiederverwendung erschwert.
Innovative Lösungsansätze
Doch die Branche bleibt nicht untätig. Firmen wie Triqbriq setzen auf modulare Systeme aus „Holz-Lego-Steinen“, die ohne Leim oder künstliche Verbindungsmittel auskommen. Ein Edeka-Markt in Braunschweig, der komplett aus solchen wiederverwendbaren oder nachwachsenden Materialien besteht, zeigt das Potenzial dieser Bauweise.
Auch die digitale Erfassung von Bauteilen spielt eine Schlüsselrolle. RFID-Chips und Materialdatenbanken wie Madaster könnten künftig den gesamten Lebenszyklus eines Bauteils dokumentieren und so die Wiederverwendung erleichtern.
Rechtliche und praktische Hürden
Doch der Weg zum zirkulären Bauen ist steinig. Das Baurecht und die Normung hinken der technischen Entwicklung hinterher. Würde man heute einen Holzbalken aus den 1980er-Jahren in einem öffentlichen Gebäude verbauen wollen, würde dies an den haftungsrechtlichen Vorgaben scheitern. Auch die Prüf- und Verwaltungsaufwände für gebrauchte Bauteile sind enorm. Hier bedarf es neuer Dienstleister und einer Liberalisierung des Baurechts, um das Potenzial des Re-Usings voll auszuschöpfen.
Zwischen Tradition und Innovation
Interessanterweise findet der zirkuläre Holzbau Vorbilder in der Vergangenheit. Die über 400 Jahre alten Bauernhäuser im Schwarzwald zeugen von einer nachhaltigen Bauweise, die unsere Vorfahren intuitiv beherrschten. Gleichzeitig entstehen neue, zukunftsweisende Konzepte. Das „Holz-Parkhaus“ in Wendlingen der Architekten Herrmann + Bosch ist so konzipiert, dass es in 20 oder 30 Jahren mit minimalem Aufwand in ein Studentenwohnheim umgewandelt werden kann.
Chancen für die Zukunft
Der zirkuläre Holzbau bietet enorme Chancen. Er könnte nicht nur den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren, sondern auch die Baukosten senken. Würden bei mineralischen Baustoffen die Entsorgungskosten eingepreist, wären sie wohl schon heute nicht mehr wettbewerbsfähig. Zudem entstehen neue Berufsbilder wie der „Rohstoffjäger“, der Gebäude im Hinblick auf die Wiederverwendbarkeit ihrer Ressourcen bewertet.
Fazit: Eine Branche im Umbruch
Der zirkuläre Holzbau steht noch am Anfang, doch sein Potenzial ist enorm. Er verspricht nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch ökonomische Chancen. Um diese zu nutzen, bedarf es jedoch eines Umdenkens – in den Köpfen der Planerinnen und Planer, der Bauherren und nicht zuletzt der Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber.
Die „Revolution im Holzbau“ hat gerade erst begonnen. Es liegt an uns allen, sie zu gestalten und zu einem Erfolg zu machen.