Baukunst - Aus der Bank wird ein Biotop – Wie ein leerstehendes Gebäude Frankfurt neu beleben soll
Frankfurt © Jan-Philipp Thiele/Unsplash

Aus der Bank wird ein Biotop – Wie ein leerstehendes Gebäude Frankfurt neu beleben soll

21.04.2025
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Ignatz Wrobel

Ein Nutzungsmix als Rettungsanker – Die neue Zukunft der ehemaligen Dresdner Bank

Der Geist der Bank ist ausgezogen

Einst zählte sie zum festen Bestandteil der Frankfurter Finanzarchitektur: die im Jahr 2002 für die Dresdner Bank errichtete Immobilie an der Theodor-Heuss-Allee. Doch seit dem Rückzug des Geldinstituts steht das markante Gebäude leer – eine Leerstandsruine gegenüber der Frankfurter Messe, gut erschlossen, aber ohne funktionales Leben. Der chinesische Eigentümer Fonsun verzeichnete allein 2023 Verluste in Millionenhöhe. Nun drängt er auf eine umfassende Revitalisierung – und setzt auf einen ungewöhnlich vielseitigen Nutzungsmix.

NAU! – ein Ausrufezeichen für die Stadt

„NAU!“ heißt das neue Konzept. Es versteht sich als bewusste Abkehr vom traditionellen Einzelbüro – eine Kampfansage an die Monofunktionalität, wie sie viele Altbauten im Bankenviertel prägt. Entwickelt vom französischen Investor Paref, verspricht es nichts Geringeres als ein „quartiersbildendes Mehrwertgebäude“, das rund um die Uhr belebt ist. Geplant sind Hotel- und Serviced Apartments, Co-Working-Flächen, Einzelhandel, Fitnessbereiche, Gastronomie – und sogar wieder Büros, allerdings in neuer Form und flexibler Organisation.

Zwischen Nutzung und Narrativ

Der Begriff des „Nutzungsgemenges“ wird hier zum Programm. Der Mix soll nicht nur ökonomisch tragfähig, sondern auch sozial und städtebaulich wirksam sein. Dahinter steht ein Narrativ: das Gebäude als Knotenpunkt urbanen Lebens. Der Investor verspricht klare Strukturen je Nutzungseinheit, aber offene, durchlässige Übergänge zwischen ihnen – ein urbanes Ökosystem im Mikroformat.

Nachhaltigkeit als Pflicht und Kür

Besonderes Augenmerk liegt auf der ökologischen Aufwertung des Bestands. Die Dächer werden begrünt, die Fassade energetisch saniert, Photovoltaikanlagen installiert. Im Innern sollen Strahlungsdecken und mechanische Lüftung für ein behagliches Klima sorgen. Lichtdurchflutete Freiflächen und digitale Infrastruktur nach Wired-Score- und Smart-Score-Standards runden das technische Konzept ab. Ziel sind DGNB-Gold- und BREEAM-Excellent-Zertifizierungen – ambitioniert, aber notwendig in einer Stadt, die sich zunehmend an ESG-Kriterien orientiert.

Die Stadt als Bühne – und Mitspielerin

Interessant ist der soziale und stadtplanerische Anspruch des Projekts. NAU! will kein abgeschlossenes Hochsicherheitsareal sein, sondern ein „offenes Gebäude mit echter Anbindung an das städtische Umfeld“. Damit greift das Konzept ein Bedürfnis auf, das die Pandemie geschärft hat: Räume, die Wohnen, Arbeiten, Konsum und Freizeit ineinander überführen – nicht als Eventfläche, sondern als dauerhafte urbane Qualität.

Ein Risiko mit Potenzial

Noch fehlen Angaben zu Kosten und Zeitplan – ein Zeichen der Unsicherheit? Möglich. Sicher ist nur: Der Eigentümer Fonsun hat keine Zeit zu verlieren. Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation muss aus der Immobilie wieder ein Wertträger werden. Ob die Mischung aus Fitnessstudio und Fine Dining, Hotel und Hot Desk dauerhaft trägt, bleibt offen. Doch der Versuch, durch programmatische Vielfalt den Leerstand zu heilen, ist mehr als ein kurzfristiges Kalkül – es ist ein Statement.

Fazit

Das Projekt NAU! könnte ein Referenzfall für die Umnutzung monofunktionaler Altbestände im urbanen Kontext werden. Es zeigt: Zukunftsfähigkeit entsteht dort, wo Architektur, Nutzung und Infrastruktur konsequent zusammengedacht werden. Die ehemalige Dresdner Bank könnte so zum Prototyp eines neuen Immobilientyps avancieren – vorausgesetzt, die Umsetzung hält, was das Konzept verspricht.