
Der Wohnbauminister als Störfaktor? Bablers Politik zwischen Mietenbremse und Branchenwiderstand
Seit März 2025 ist Andreas Babler Vizekanzler und Bundesminister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport. Seine wohnpolitischen Maßnahmen polarisieren die Branche: Während Mietervertretungen jubeln, warnt die Immobilienwirtschaft vor dramatischen Folgen.
Mietpreisbremse als Herzstück der neuen Wohnpolitik
Die Mietpreisbremse gilt für rund 2,7 Millionen Menschen in Österreich und betrifft etwa 516.000 Altbauwohnungen sowie 698.000 Genossenschaftswohnungen. Für 2025 wurden Richtwert- und Kategoriemieten eingefroren, 2026 dürfen diese nur um maximal ein Prozent steigen, 2027 um maximal zwei Prozent. Ab 2028 soll im gesamten Wohnbereich eine Begrenzung von Mietsteigerungen auf maximal drei Prozent gelten.
Die betroffenen Mieterinnen und Mieter ersparten sich alleine im Jahr 2025 etwa 138 Millionen Euro durch die gesetzte Maßnahme. Babler rechtfertigt diese Eingriffe mit drastischen Zahlen: Seit 2010 seien die Mieten in Österreich um 70,3 Prozent gestiegen, in den letzten beiden Jahren um rund 25 Prozent.
Berufspolitische Spannungsfelder zwischen Staat und Markt
Die neuen Regelungen tangieren verschiedene Berufsgruppen unterschiedlich. Während die Wiener Mietervereinigung eine kostenlose Beratungsaktion startet, reagieren Interessensverbände der Immobilienwirtschaft mit scharfer Kritik. Der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB) spricht von „ideologischer Politik auf dem Rücken derer, die Wohnraum schaffen und erhalten“.
Besonders brisant: Die gemeinnützigen Bauvereinigungen, traditionell Partner der Sozialdemokratie, laufen Sturm gegen die Pläne. Die Einnahmenausfälle für die Jahre 2024 bis 2027 werden auf 865 Millionen Euro geschätzt. Der Verband warnt vor einem erheblichen Sanierungsrückstau bei 700.000 betroffenen Wohnungen.
Architektur und Planung unter Regulierungsdruck
Für Architektinnen und Planungsbüros entstehen neue Herausforderungen. Die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) kritisiert, dass die Indexierung der Mieten „Wohnbauträgern die Möglichkeit nimmt, in klimafitte Gebäude zu investieren“. Diese Entwicklung könnte die bereits angespannte Situation am Neubaumarkt weiter verschärfen.
Die Zahlen des ersten österreichischen Neubaureports 2025 zeigen eine Stabilisierung auf sehr niedrigem Niveau, was die Sorgen der Planungsbranche verstärkt. Gleichzeitig wurden in Kärnten neue Vereinbarungen zwischen der Ziviltechnikerkammer und gemeinnützigen Bauvereinigungen über Architekturwettbewerbe unterzeichnet, die zeigen, dass die Zusammenarbeit trotz politischer Spannungen fortgesetzt wird.
Kammerarbeit zwischen Interessensvertretung und Neutralität
Die österreichischen Kammern navigieren durch schwieriges Terrain. Während die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten weiterhin Honorarindices und Basiswerte verlautbart, müssen sich die Länderkammern mit den direkten Auswirkungen der Wohnpolitik auseinandersetzen.
Die Grünen fordern eine „echte Bündelung“ aller wohnbetreffenden Themen in einem Kompetenzministerium für Wohnen, da das Thema aktuell auf mehrere Ministerien verstreut sei. Diese Kritik an der Organisationsstruktur zeigt, dass auch die Berufsverbände klarere Zuständigkeiten für ihre Lobbyarbeit benötigen.
Regulatorische Unsicherheit als Planungshemmnis
Babler arbeitet „mit Hochdruck“ an einer Mietpreisbremse auch für den unregulierten Bereich und rechnet mit einem Vorschlag im Herbst. Diese Ankündigung verstärkt die Unsicherheit in der Branche. „Ich kann versprechen, dass das hohe Priorisierung hat und wir mit Hochdruck daran arbeiten, in den unregulierten Bereich einzugreifen“, so der Vizekanzler.
Die FPÖ nutzt diese Entwicklung für scharfe Attacken: FPÖ-Bautensprecher Michael Oberlechner kritisierte Babler und dessen Wohnbaupolitik, die Menschen eine Mietpreisbremse als große Errungenschaft verkaufen wolle, während grundlegende Probleme im Wohnbau bestehen blieben.
Herausforderungen für die Berufspraxis
Die neuen Regelungen schaffen konkrete Probleme für Planende und Bauträger. Das österreichische Mietrechtsgesetz (MRG) ist zu einem „Paragrafendschungel“ herangewachsen. Die Unterscheidung zwischen Vollanwendung, Richtwert, Teilanwendung und freien Mietverhältnissen erschwert die Projektplanung erheblich.
Für Ziviltechnikerinnen bedeutet dies: Wer heute Wohnprojekte plant, muss eine unübersichtliche Regulierungslandschaft navigieren. Die geplante Verlängerung der Mindestbefristung von drei auf fünf Jahre könnte zusätzliche Planungsunsicherheit schaffen.
Europäischer Kontext und internationale Vergleiche
Die österreichischen Entwicklungen stehen nicht isoliert da. In Deutschland läuft ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die HOAI, da diese aus Sicht der EU-Kommission gegen europäisches Recht verstößt. Dies zeigt, dass regulatorische Eingriffe in die Planungsbranche europaweite Aufmerksamkeit erregen.
In Deutschland wurde 2015 eine Mietpreisbremse eingeführt, jedoch mit gemischten Ergebnissen. Diese Erfahrungen werfen Fragen über die Wirksamkeit solcher Instrumente auf und verstärken die Kritik österreichischer Branchenvertreter.
Zukunftsaussichten: Politik zwischen Populismus und Pragmatismus
Die Quote an Wohneigentum lag 2023 laut Statistik Austria bei 44 Prozent – eine der geringsten Eigentumsquoten in der Europäischen Union. Diese Struktur macht Mietenpolitik zu einem entscheidenden Wahlkampfthema, wie die KPÖ-Erfolge bereits zeigen.
Die berufspolitischen Herausforderungen werden sich verschärfen: Einerseits steigt der Druck auf leistbares Wohnen, andererseits warnen Praktiker vor den langfristigen Folgen übermäßiger Regulierung. Die Kammern müssen zwischen diesen Polen vermitteln und gleichzeitig die Interessen ihrer Mitglieder vertreten.
Fazit: Wohnpolitik als Lackmustest für Berufsstände
Bablers Wohnpolitik stellt die österreichischen Planungsberufe vor ein Dilemma: Soziale Verantwortung und wirtschaftliche Realität müssen in Einklang gebracht werden. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein – nicht nur für den Wohnungsmarkt, sondern auch für das Selbstverständnis einer Branche, die zwischen öffentlichem Auftrag und privatwirtschaftlicher Tätigkeit balanciert.
Die Entwicklung zeigt exemplarisch, wie berufspolitische Interessensvertretung in Zeiten politischer Polarisierung funktioniert: Weniger durch laute Proteste, sondern durch sachliche Argumentation und konstruktive Mitarbeit an Lösungen, die sowohl soziale als auch ökonomische Nachhaltigkeit gewährleisten.

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