Baukunst-Bauboom oder Baukrise – was bringen die Milliarden den deutschen Architektinnen und Architekten?
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Bauboom oder Baukrise – was bringen die Milliarden den deutschen Architektinnen und Architekten?

20.03.2025
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Ignatz Wrobel

Milliarden für marode Infrastruktur – zwischen Hoffnung und Krise am Bau

Deutschland steht vor einer epochalen Investition in seine Infrastruktur: 500 Milliarden Euro sollen innerhalb von zehn Jahren in marode Brücken, Straßen, Schienen und öffentliche Gebäude fließen. Was auf den ersten Blick wie ein segensreicher Aufschwung wirkt, könnte sich bei näherem Hinsehen jedoch für viele Architektinnen und Architekten sowie kleinere Bauunternehmen als problematisch erweisen.

Bröckelnde Brücken, goldene Hoffnungen

Die deutsche Infrastruktur ist längst zum Symbol verpasster politischer Chancen geworden. Eindrucksvoll zeigte dies der Einsturz der Carolabrücke in Dresden im September, ausgelöst durch längst bekannte Risse im Beton. Solche Bilder haben der Politik Beine gemacht: Die Bundesregierung beschloss ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro, welches die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken und den Investitionsstau auflösen soll. Branchenvertreter wie Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie, begrüßen diesen Schritt als dringend nötig und richtungsweisend.

Große Erwartungen, begrenzte Kapazitäten

Die Euphorie der großen Baukonzerne ist spürbar. So reagierte der Aktienkurs von Hochtief unmittelbar nach der Bekanntgabe mit einem deutlichen Anstieg. Der Konzern, der seit Jahren von kontinuierlich steigenden Auftragsbeständen berichtet, sieht im Sondervermögen eine enorme Chance, die Gesamtwirtschaft nachhaltig zu beleben. Dennoch stellt sich die Frage nach der Machbarkeit: Können Baukapazitäten schnell genug erweitert und ausreichend qualifiziertes Personal rekrutiert werden, um die ambitionierten Ziele zu erreichen? Brancheninsider mahnen zur Vorsicht und fordern von der Politik klare Rahmenbedingungen und zuverlässige Planbarkeit.

Gewinner und Verlierer – eine gespaltene Branche

Während Großunternehmen jubeln, zeigt sich ein differenzierteres Bild für kleine und mittlere Betriebe. Der Datev-Mittelstandsindex offenbart, dass der Hochbau – das Kerngeschäft vieler kleiner und mittlerer Architekturbüros und Bauunternehmen – besonders betroffen ist. Bereits seit mehreren Jahren sinken hier Umsätze und Baugenehmigungen dramatisch, Insolvenzen nehmen zu. Nun könnte das Infrastrukturpaket diese Situation verschärfen, indem es die Nachfrage nach Baumaterialien und Arbeitskräften im Tiefbau erhöht. Dies wiederum führt zu steigenden Materialpreisen und höheren Löhnen, die den Druck auf kleinere Hochbauunternehmen weiter verstärken.

Wohnungsbau in der Krise – Gefahr weiterer Vernachlässigung

Parallel dazu leidet der Wohnungsbau unter dramatischem Investitionsmangel. Experten und Verbände warnen, dass das neue Milliardenpaket Ressourcen in Richtung öffentlicher Infrastruktur abzieht und der ohnehin schwächelnde Wohnungsbau weiter vernachlässigt wird. Marcus Nachbauer, Vorsitzender der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, fordert daher explizit, einen klaren Anteil des Sondervermögens in den Wohnungsbau zu lenken.

Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit

Angesichts wachsender gesellschaftlicher Anforderungen an Nachhaltigkeit und Effizienz gewinnen zudem umweltfreundliche und innovative Bauweisen an Bedeutung. Die Milliardeninvestitionen könnten ein Motor sein, um nachhaltige Baumethoden und zukunftsweisende Technologien voranzutreiben – vorausgesetzt, die Politik setzt entsprechende Prioritäten.

Notwendige Reformen und Zukunftsaussichten

Um die Potenziale des milliardenschweren Infrastrukturpakets tatsächlich zu nutzen, braucht es tiefgreifende strukturelle Reformen. Experten schlagen Bürokratieabbau, schnellere Genehmigungsverfahren und Digitalisierung der Bauwirtschaft vor, um Effizienz und Planungssicherheit zu verbessern. Nur so lässt sich verhindern, dass das gut gemeinte Milliardenpaket nicht bloß Geld verschlingt, sondern tatsächlich die erhofften positiven Effekte auf Wirtschaft und Gesellschaft entfaltet.

Das Infrastrukturprogramm birgt Chancen und Risiken zugleich. Für die Architektinnen und Architekten Deutschlands heißt es daher: wachsam bleiben, Anpassungsfähigkeit beweisen und aktiv an der Gestaltung der Rahmenbedingungen mitwirken.