Baukunst -Regionale Planungsstrategien: Schleswig-Holstein und Hamburg im Vergleich
Tag der Architektur © Architektenkammer

Brandenburg als Vorreiter nachhaltiger Baukultur in Deutschland

20.06.2025
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Berthold Bürger

Brandenburgs Bauwende in Aktion: Wenn der Bestand die Zukunft gestaltet

Während andere Bundesländer noch über Nachhaltigkeit diskutieren, macht Brandenburg bereits ernst: Erstmals sind mehr Sanierungen, Umbauten und Erweiterungen zu besichtigen als pure Neubauten – ein Paradigmenwechsel, der beim diesjährigen Tag der Architektur am 29. Juni 2025 mit 36 Projekten seine volle Wirkung entfaltet.

Zwischen Havel und Spree: Regionalspezifische Ansätze einer neuen Baukultur

Die märkische Landschaft prägt nicht nur die Seele ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch deren Umgang mit dem baulichen Erbe. In Brandenburg an der Havel wurden stadtbildprägende Baudenkmäler wiederhergestellt, während anstelle der rückwärtigen Ruinen eine neue Hofbebauung für Seniorenwohnen und Gemeinschaftseinrichtungen entstanden. Diese Praxis zeigt exemplarisch, wie sich regionale Identität und zeitgemäße Nutzungsanforderungen verbinden lassen, ohne die historische Substanz zu opfern.

Besonders bemerkenswert erscheint die Transformation in Frankfurt (Oder): Das vormals düstere, in Teilen gotische Rathaus wandelte sich durch die Überdachung des Innenhofes und ein geniales Erschließungskonzept zum einladenden Haus der Stadtgesellschaft. Hier manifestiert sich eine spezifisch brandenburgische Herangehensweise: behutsam, aber entschlossen, die DDR-Erblast überwinden, ohne die jahrhundertealte Geschichte zu negieren.

Kleine Dörfer, große Wirkung: Die Renaissance ländlicher Strukturen

Fernab der Aufmerksamkeit großstädtischer Architekturdiskurse vollzieht sich in Brandenburgs Dörfern eine stille Revolution. In einem Dorf am Ruppiner See wurde das Gasthaus „Kastanie“ in Karwe durch die Sanierung des historischen Festsaals und einen neuen Kiosk im Biergarten reaktiviert. Solche Interventionen belegen, dass auch mit minimalen Eingriffen maximale Wirkung erzielbar ist – eine Lektion, die andere ländliche Regionen durchaus beherzigen könnten.

Noch radikaler mutet die Verwandlung eines ehemaligen Konsums an: Der schäbige Rohbau mutierte durch eine übergestülpte gläserne Hülle zu einem als Ferienhaus genutzten Raumwunder. Diese Art der Umnutzung verkörpert eine neue Kreativität im Umgang mit der DDR-Architektur, die weder nostalgisch verklärt noch kategorisch ablehnt.

Institutionelle Verankerung: Brandenburgs Baukultur-Netzwerk

Die Erfolge beim behutsamen Bauen sind kein Zufall, sondern Resultat einer systematischen Förderung regionaler Baukultur. Gemeinsam mit dem Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, der Brandenburgischen Ingenieurkammer, dem Förderverein Baukultur Brandenburg und vielen mehr agiert die Brandenburgische Architektenkammer als Motor einer nachhaltigen Entwicklung.

Besonders das Stadtentdecker-Projekt zeigt, wie Baukultur bereits in den Schulen verankert wird: Seit 2013 erkunden Schülerinnen und Schüler ihren Heimatort mit dem Projekt und setzen sich mit Fragen der Stadtentwicklung auseinander. Diese frühe Sensibilisierung schafft eine Generation, die Architektur nicht als Selbstzweck, sondern als gesellschaftliche Aufgabe begreift.

Zwischen Tradition und Innovation: Regionale Besonderheiten der märkischen Baukultur

Die brandenburgische Bauordnung ermöglicht Experimentierfreude, wo andere Länder bürokratische Hürden errichten. Dies zeigt sich exemplarisch in Kyritz, wo das Areal des ehemaligen Franziskanerklosters zum attraktiven Kulturstandort entwickelt wird. Die neue Stadtbibliothek in der ehemaligen Brennerei demonstriert, wie sich historische Bausubstanz und moderne Bibliothekskonzepte ergänzen können.

Gleichzeitig beweist das frühbarocke Jagdschloss Fürstenwalde, dass auch bei komplexester Denkmalpflege innovative Lösungen möglich sind. Die Rettung solcher Baudenkmäler erfordert nicht nur handwerkliches Können, sondern auch den Mut zu unkonventionellen Finanzierungsmodellen und Nutzungskonzepten.

Klimaschutz regional gedacht: Brandenburgs Vorbildfunktion

Die größten Einsparungen lassen sich durch die Weiterverwendung von Bestandsgebäuden erzielen, in deren Material große Mengen Energie und damit CO2 gebunden sind. Diese Erkenntnis hat in Brandenburg längst praktische Konsequenzen. Die Architektenkammer setzt bewusst auf die Präsentation von Umbauprojekten, um zu demonstrieren, dass Klimaschutz und architektonische Qualität keine Gegensätze darstellen.

Finsterwalde liefert dafür ein eindrucksvolles Beispiel: Die Stadt veredelte einen anhaltenden Schandfleck zum Juwel. Solche Transformationen beweisen, dass Klimaschutz durch intelligente Nachnutzung effektiver sein kann als jeder Neubau – unabhängig von dessen Energiestandard.

Büroöffnungen: Einblicke in die Planungspraxis

Der Tag der Architektur bietet nicht nur Gebäudebesichtigungen, sondern auch die seltene Gelegenheit, Architekturbüros von innen zu erleben. Einige Architektinnen und Architekten öffnen ihre Büros, um ihr gesamtes Arbeitsspektrum vorzustellen. Diese Transparenz schafft Vertrauen zwischen Planenden und Bauherrinnen und vermittelt realistische Vorstellungen von Planungsprozessen.

Die Architektin Dagmar Chrobok-Dohmann aus Caputh zeigt exemplarisch, wie sich auch kleinere Büros erfolgreich am Tag der Architektur beteiligen können. Ihre Erfahrungen belegen, dass die Öffnung des eigenen Arbeitsplatzes nicht nur Werbung darstellt, sondern auch zum fachlichen Austausch beiträgt.

Ausblick: Brandenburgs Modellcharakter für andere Regionen

Die Entwicklung in Brandenburg zeigt, dass erfolgreiche Baukultur keine Metropolenregionen benötigt, sondern Mut zur Innovation und Respekt vor dem Bestehenden. Die konsequente Fokussierung auf Umbauten und Sanierungen könnte zum Modell für andere Flächenländer werden, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Die Vielfalt des neuen Bauens zeigt sich besonders im behutsamen Umgang mit dem Bestand – diese Erkenntnis der Brandenburgischen Architektenkammer dürfte bundesweit Nachahmer finden. Denn während Neubaugebiete austauschbar wirken, entwickeln sanierte Altbauten jene Unverwechselbarkeit, die Orte zu Heimat macht.

Der Tag der Architektur 2025 dokumentiert damit nicht nur aktuelle Projekte, sondern auch einen grundlegenden Mentalitätswandel: Weg vom Abriss-Neubau-Denken, hin zu einer Kultur der Wertschätzung und intelligenten Weiterentwicklung. Brandenburg zeigt, wie dieser Wandel regional verankert und praktisch umgesetzt werden kann – ein Beispiel, das Schule machen sollte.