
Liebe Kollegin, lieber Kollege,
am 21. Juni 2025 um 4:42 Uhr deutscher Zeit erreichte die Sonne ihren höchsten Stand über der Nordhalbkugel – die Sommersonnenwende markiert nicht nur den längsten Tag des Jahres, sondern auch einen Moment der Reflexion über die jahrtausendealte Beziehung zwischen Architektur und Himmelsmechanik. In einer Zeit, da unsere Architekturbüros vor der gewaltigen Aufgabe stehen, unsere Gebäudebestand schnellstmöglich klimaneutral zu bekommen, lohnt der Blick zurück zu jenen steinzeitlichen Baumeistern, die bereits vor 5.000 Jahren Newgrange und Stonehenge präzise nach astronomischen Koordinaten ausrichteten.
Von megalithischen Sonnenkalendern zur smarten Gebäudehülle
Die irische Grabanlage Newgrange, älter als die Pyramiden von Gizeh, demonstriert eine Präzision, die moderne Lichtplaner in Ehrfurcht versetzen könnte: Zur Wintersonnenwende flutet für exakt 17 Minuten ein Sonnenstrahl die 19 Meter lange Kammer und illuminiert die Spiralgravuren der Rückwand. Was unseren neolithischen Kollegen vor fünf Jahrtausenden gelang, ist nichts Geringeres als die perfekte Inszenierung von Tageslicht als emotionales und spirituelles Gestaltungsmittel.
Stonehenge, dieser steinerne Sonnenkalender auf der Ebene von Salisbury, beweist, dass bereits die Jungsteinzeit komplexe geometrische Kenntnisse besaß – 2.000 Jahre bevor die Griechen den Begriff Mathematik definierten. Der Heel Stone rahmt bis heute punktgenau den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende ein, während die 30 Sarsen-Steine des äußeren Kreises als präzises Kalendersystem funktionierten. Jeder Stein repräsentierte einen Tag innerhalb eines Monats, unterteilt in drei Zehntage-Wochen.
Doch es ist das Pantheon in Rom, mein liebstes Bauwerk, das die vollendete Poesie solarer Architektur verkörpert. Hadrians Meisterwerk von 126 n. Chr. mit seinem neun Meter großen Oculus inszeniert das perfekte Theater des Lichts: Zur Sommersonnenwende zwischen 12 und 13 Uhr trifft das Sonnenlicht als runde, knapp neun Meter breite Scheibe exakt auf den Marmorboden der Rotunde. Kaiser und Götter scheinen in diesem Moment eins zu werden mit dem himmlischen Feuer. Wenn ich dort stehe, während der Lichtkreis langsam über den Kassettenboden wandert, verstehe ich, was Percy Bysshe Shelley meinte, als er das Pantheon als „das sichtbare Bild des Universums“ bezeichnete.
Diese steinzeitlichen Bauwerke lehren uns eine fundamentale Wahrheit: Architektur war niemals nur Schutz vor den Elementen, sondern stets Dialog mit dem Kosmos.
Baukunst im Lichtzeitalter
Während unsere Vorfahren Stonehenge errichteten, um den Rhythmus der Jahreszeiten abzulesen, stehen deutsche Architektinnen und Architekten heute vor der Herausforderung, Gebäude zu entwerfen, die sowohl energetisch als auch emotional mit der Sonne kommunizieren. Die Schweizer Norm SN EN 17037 „Tageslicht in Gebäuden“ definiert erstmals europaweit Standards für vier Kriterien: Tageslichtversorgung, Ausblick, Sonnenlicht-Exposition und Blendschutz.
Diese normative Entwicklung ist mehr als bürokratische Pflichtübung – sie markiert den Paradigmenwechsel von der funktionalen zur atmosphärischen Architektur. Während frühere Generationen Kunstlicht als Ersatz für unzureichendes Tageslicht betrachteten, verstehen wir heute: Natürliches Licht ist nicht substituierbar. Es reguliert unseren Hormonhaushalt, steuert den zirkadianen Rhythmus und beeinflusst Produktivität sowie Wohlbefinden fundamental.
Der Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik 2024 zeigt exemplarisch, wie zeitgenössische Büros diese Herausforderung annehmen: Das prämierte Regensburger Wohnhochhaus vereint fassadenintegrierte Photovoltaik mit champagnerfarbener Bedruckung zu einer Einheit aus Energiegewinnung und ästhetischer Vollendung. Hier wird die Fassade zum aktiven Bauteil, das Sonnenlicht nicht nur hereinlässt, sondern erntet.
Zwischen Tageslichtarchitektur und Energiewende
Kleine und mittlere Büros stehen dabei vor besonderen Herausforderungen: Während Großprojekte eigene Lichtplaner beschäftigen können, müssen sich Praktikerinnen und Praktiker in kleineren Teams das komplexe Zusammenspiel aus Sonnenverlauf, Gebäudeausrichtung und Fassadengestaltung selbst erschließen. Tools wie Shadowmap ermöglichen heute interaktive 3D-Sonnenlicht-Simulationen für jeden Standort, jede Zeit und jedes Datum – eine Demokratisierung der Lichtplanung, die noch vor wenigen Jahren undenkbar war.
Die Ausrichtung zur Sonne wird dabei zur strategischen Grundentscheidung: Südfassaden erzielen in Deutschland im Winter maximale solare Wärmegewinne und lassen sich im Sommer am leichtesten gegen Überhitzung schützen. Ost- und Westfenster empfangen 60 Prozent, Nordfenster immerhin noch 40 Prozent der nutzbaren Solareinstrahlung einer nach Süden gerichteten Verglasung.
Doch Orientierung allein genügt nicht. Die Materialität der raumseitigen Massen entscheidet über die Speicherfähigkeit eingestrahlter Sonnenenergie. Je höher die thermische Masse der umschließenden Bauteile, desto größer der nutzbare Anteil der solaren Strahlung. Hier zeigt sich, dass zeitgemäße Lichtarchitektur konstruktives Denken vom Detail bis zum städtebaulichen Kontext erfordert.
Internationale Perspektiven und europäische Eigenarten
Während skandinavische Länder die Sommersonnenwende mit ausgelassenen Mittsommerfesten zelebrieren, behandelt der deutschsprachige Raum dieses astronomische Ereignis eher nüchtern. Dabei könnte gerade die Sommersonnenwende als Inspirationsquelle für eine neue Sonnenbewusstheit in der Baukultur dienen.
Projekte wie das Basler Amt für Umwelt und Energie, ausgezeichnet mit dem Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik 2022, zeigen den Weg: Erstmals wurden hier 3D-Schmelzglasmodule mit gewollten Unebenheiten für die Photovoltaikfassade entwickelt. Diese Innovation demonstriert, wie technische Notwendigkeit zu ästhetischer Innovation werden kann.
Im deutschsprachigen Raum entstehen zunehmend Projekte, die passive und aktive Solarenergienutzung intelligent verknüpfen. Die Europacity Berlin kombiniert grüne Dächer mit fortschrittlicher Solartechnik und erreicht dabei den energieeffizienten KfW 55 Standard. Solche Entwicklungen weisen den Weg zu einer Architektur, die Sonnenlicht nicht nur nutzt, sondern zelebriert.
Ausblick: Die Zukunft gehört den Sonnenfängern
Der Nachhaltigkeitspreis Architektur 2025 wird zeigen, wie unsere Büros die Herausforderung der Sonnenwende annehmen. Erste Trends deuten auf eine Renaissance der Lichtarchitektur hin: von transparenten Photovoltaikfolien bis zu intelligenten Verschattungssystemen, die automatisch auf Sonnenstände reagieren.
Die Zukunft gehört jenen Architektinnen und Architekten, die das Sonnenlicht nicht als gegebene Randbedingung betrachten, sondern als aktiven Gestaltungspartner verstehen. In einer Zeit, da Gebäude mehr Energie erzeugen als verbrauchen müssen, wird die Sonne zur Co-Architektin.
Wie unsere steinzeitlichen Kollegen in Newgrange und Stonehenge können auch wir Bauwerke schaffen, die mit dem Himmel kommunizieren. Der Unterschied: Während jene den Sonnenlauf ablasen, können wir ihn ernten.
Wenn Sie das nächste Mal zur Sommersonnenwende unter dem Oculus des Pantheons stehen und den Lichtkreis über den Marmorboden wandern sehen, denken Sie daran: Hadrian hat vor 1.900 Jahren vorgemacht, was wir heute immer wieder erlernen müssen – Architektur als Poesie des Lichts.
Wie unsere steinzeitlichen und römischen Kollegen können auch wir Bauwerke schaffen, die mit dem Himmel kommunizieren. Der Unterschied: Während jene den Sonnenlauf ablasen, können wir ihn ernten. Während sie die Götter ehrten, retten wir das Klima.
In diesem Sinne wünsche ich allen Kolleginnen und Kollegen eine inspirierende Sommersonnenwende 2025 – möge sie Sie daran erinnern, dass Architektur im Dialog mit der Sonne ihre schönsten Seiten zeigt.
Mit sonnigen Grüßen
Stuart Stadler
Architekt
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Einleitung (200 Zeichen): Am längsten Tag des Jahres zeigt sich: Architektur war schon immer Dialog mit der Sonne. Von Stonehenge zur Solarfassade – eine Zeitreise durch 5000 Jahre Lichtarchitektur.
3 Tags: Lichtarchitektur, Nachhaltiges Bauen, Solartechnik
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REPOST-Text: Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Beitrag zeigt eindrucksvoll, wie zeitlos gute Lichtarchitektur ist. Schon unsere steinzeitlichen Vorfahren verstanden die Sonne als Gestaltungspartnerin. Eine Inspiration für unsere heutigen Herausforderungen der Klimawende am Bau!

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