Die Resonanz auf den Artikel „Architektur in der Klemme“ offenbart eine tiefgreifende Existenzkrise des Berufsstands. Von Wiesbaden bis Innsbruck, von erfahrenen Büroleitern bis zu engagierten Newcomern – die Frustration ist einhellig und alarmierend.
Kernprobleme der Branche
Bürokratische Überfrachtung
Die Verordnungsflut und ausufernde Dokumentationspflichten ersticken die kreative Arbeit. Ein Bauingenieur aus Freudenstadt beschreibt die Situation als „einzige Katastrophe“, die mit dem ursprünglichen Berufsbild nichts mehr zu tun habe.
Wirtschaftliche Schieflage
- Honorardumping trotz steigender Anforderungen
- Haftungsrisiken wachsen unverhältnismäßig
- Versicherungsprämien steigen exorbitant (bis zu 5% des Umsatzes)
Strukturelle Benachteiligung kleiner Büros
Besonders dramatisch: Die Vergabepraxis öffentlicher Auftraggeber bevorzugt systematisch Großbüros. Eine Architektin aus NRW warnt: „Es wird in naher Zukunft nur noch Architekturbüros mit mehr als 50 Mitarbeitern geben.“
Lösungsansätze aus der Praxis
Innovative Honorargestaltung
Eine Landschaftsarchitektin berichtet von erfolgreicher Implementation eines Inflationsausgleichs in ihre Angebote – mit überraschend positiver Resonanz bei Auftraggebern.
Forderungen an die Verbände und Kammern
- Stärkere Interessenvertretung gegenüber Politik und Wirtschaft
- Professionalisierung der Kammerarbeit
- Bundesweite Vereinheitlichung der Strukturen
- Engagement für eine rechtsverbindliche Honorarordnung
Ausblick und Fazit
Die Baukultur steht am Scheideweg. Ohne grundlegende Reformen droht ein Aussterben der mittelständischen Architekturszene. Ein erfahrener Architekt aus Österreich warnt vor „italienischen Verhältnissen“: dem Verschwinden einer vielfältigen Architekturszene und dem Ende der Architekturkritik.
Die Identität unserer Städte steht auf dem Spiel. Wie eine Büroleiterin treffend bemerkt: „Es braucht für die Identität der Bürger keine Stadt bestehend aus Leuchturmprojekten der 10 großen Büros Deutschland. Ein Leuchtturm reicht.“
Der Berufsstand muss sich neu erfinden – zwischen digitaler Transformation, ökologischen Herausforderungen und wirtschaftlichen Zwängen. Die Zeit drängt, denn wie ein Kollege resigniert feststellt: „Wenn wir uns nicht mehr als bisher engagieren, werden wir das Schicksal unserer Kollegen in Italien erleiden.“