Baukunst - Diese jungen Architekten rocken Deutschland
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Diese jungen Architekten rocken Deutschland

16.06.2025
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Berthold Bürger

Max 40: Wenn Nachwuchsförderung zur Bildungsrevolution wird

Vom Einzelkämpfer zum Bildungsnetzwerk

Die Architekturausbildung steht vor einem Paradigmenwechsel. Was einst als lokale Initiative des BDA Hessen begann, entwickelt sich zu einem der innovativsten Nachwuchsförderungsmodelle der deutschen Architekturlandschaft. Der BDA Max 40 Förderpreis zeigt exemplarisch, wie strukturierte Talentförderung gelingen kann – und wird dabei selbst zu einem bemerkenswerten Bildungsexperiment.

„Wenn wir die Generation, die es betrifft, nicht an der Gestaltung ihrer Zukunft teilhaben lassen, machen wir etwas falsch!“, bringt Christian Holl vom BDA Hessen die Grundphilosophie auf den Punkt. Diese Haltung spiegelt einen fundamentalen Wandel in der Architekturausbildung wider: weg von hierarchischen Strukturen, hin zu partizipativen Lernmodellen.

Evolutionäre Ausbildungsarchitektur

Die Entwicklung des Max 40 liest sich wie ein Lehrbuch gelungener Bildungskooperation. Startete die Initiative 2000 als rein hessisches Projekt, umfasst sie 2026 bereits zehn Bundesländer – ein organisches Wachstum, das Bildungsforschende als „horizontale Skalierung“ bezeichnen würden.

Diese geografische Expansion folgt einem durchdachten Lernkonzept: Jeder neue Landesverband bringt eigene Expertise ein, während bewährte Strukturen übernommen werden. Baden-Württemberg steuert industrielle Nähe bei, Bayern alpine Bautraditionen, Nordrhein-Westfalen urbane Verdichtung. Das Ergebnis ist ein interdisziplinäres Lernökosystem, das regionale Besonderheiten mit übergreifenden Qualitätsstandards verbindet.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Von ursprünglich einem teilnehmenden Bundesland auf zehn in zwei Dekaden – eine Erfolgsquote, die mancher Hochschule zur Ehre gereichen würde. 22 ausgewählte Projekte allein 2021 demonstrieren die Breite des Ansatzes: vom Passivhaus-Schulbau bis zur Bergbauernhof-Sanierung, von der sächsischen Kegelbahn bis zur Grundschule in Simbabwe.

Mentoring durch Museumspädagogik

Das Deutsche Architekturmuseum fungiert als zentraler Bildungspartner – eine ungewöhnliche, aber geniale Konstellation. Während traditionelle Architekturpreise oft in der Fachpresse versanden, erhält der Max 40 durch die DAM-Kooperation eine völlig andere Bildungsdimension.

Die Ausstellungskonzeption folgt modernen museumspädagogischen Prinzipien: Nicht nur das Endergebnis wird präsentiert, sondern der gesamte Entstehungsprozess. Planzeichnungen, Modelle und Fotografien erzählen Geschichten des Scheiterns und Gelingens – authentische Lernmaterialien für die nächste Architektengeneration.

Besonders innovativ ist das Wanderausstellungskonzept. Wie ein mobiles Klassenzimmer reist die Schau durch alle beteiligten Bundesländer und schafft dezentrale Lernorte. Junge Architektinnen können die preisgekrönten Arbeiten nicht nur in Frankfurt studieren, sondern auch vor der eigenen Haustür – ein didaktisches Prinzip, das Bildungsexperten als „situated learning“ bezeichnen.

Interdisziplinäre Jury als Lehrkollegium

Die Juryzusammensetzung offenbart ein weiteres Bildungsgeheimnis des Max 40: Den systematischen Wissenstransfer zwischen Generationen und Disziplinen. Peter Cachola Schmal vom DAM bringt kuratierte Expertise ein, Friederike Kluge von der Hochschule Konstanz akademische Forschung, Donatella Fioretti von der Akademie Düsseldorf internationale Perspektiven.

Diese Konstellation funktioniert wie ein ideales Graduiertenkolleg: Erfahrene Praktikerinnen, Hochschuldozenten und Museumsfachleute bewerten nicht nur, sondern vermitteln implizit unterschiedliche Herangehensweisen an architektonische Problemstellungen. Junge Teilnehmer lernen so verschiedene Qualitätskriterien kennen – eine Form der Mehrperspektivität, die in regulären Studienplänen oft zu kurz kommt.

Digitale Kompetenzförderung der neuen Generation

Erstmals 2026 sind auch Innenarchitektinnen teilnahmeberechtigt – eine Erweiterung, die dem interdisziplinären Anspruch zeitgemäßer Architekturausbildung entspricht. Die Online-Anmeldung bis 15. August 2025 über http://www.bda-max40.de zeigt zudem, wie traditionelle Institutionen digitale Lerntools integrieren.

Der nicht dotierte Charakter des Preises unterstreicht seinen Bildungsauftrag: Hier geht es nicht um monetäre Belohnung, sondern um Kompetenzerweiterung durch Sichtbarkeit und Fachdiskurs. Teilnehmende erhalten durch die Teilnahme selbst schon wertvollere Lernerfahrungen als durch jeden Geldpreis.

Nachhaltigkeit als Lerninhalt

Die prämierten Projekte der vergangenen Jahre offenbaren einen starken Fokus auf nachhaltige Baupraxis – ein Lehrinhalt, der angesichts des Klimawandels immer relevanter wird. Von der 300 Jahre alten Bergbauernhof-Sanierung bis zum Passivhaus-Standard zeigt sich: Junge Architektinnen und Architekten entwickeln innovative Lösungen für die Herausforderungen ihrer Generation.

Besonders bemerkenswert ist das Projekt von Ingenieure ohne Grenzen in Hopley, Simbabwe: Ein Campus für 800 Schülerinnen und Schüler, der lokale Bautraditionen mit modernen Standards verbindet. Solche Projekte erweitern den Bildungshorizont über europäische Grenzen hinaus und zeigen globale Verantwortung in der Architekturausbildung.

Ausblick: Bildungsmodell mit Strahlkraft

Der BDA Max 40 demonstriert, wie Nachwuchsförderung im 21. Jahrhundert funktionieren kann: dezentral organisiert, interdisziplinär besetzt, digital vernetzt und international orientiert. Das Modell könnte Schule machen – nicht nur in der Architektur, sondern in allen kreativen Disziplinen.

Die kontinuierliche Expansion von einem auf zehn Bundesländer beweist die Tragfähigkeit des Konzepts. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnte der Max 40 bald bundesweit agieren und damit zum Goldstandard der Architektur-Nachwuchsförderung werden.

Vielleicht liegt hier die eigentliche Innovation: Der Max 40 ist nicht nur ein Preis, sondern ein lebendiges Bildungsexperiment, das Generationen verbindet und Wissen transferiert. In einer Zeit, in der Bildungsinstitutionen nach neuen Formaten suchen, zeigt diese Initiative, wie Lernen außerhalb klassischer Strukturen gelingen kann.