Baukunst-Düsseldorfs kulturelles Erbe in Gefahr: Warum das Audimax von Günter Fruhtrunk erhalten bleiben muss
Foto: Silvia Margrit Wolf/LVR-ADR

Düsseldorfs kulturelles Erbe in Gefahr: Warum das Audimax von Günter Fruhtrunk erhalten bleiben muss

02.10.2024
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stu.ART

Der Wert von Kunst und Architektur: Ein Symbiose bedroht

Die Stadt Düsseldorf steht erneut im Mittelpunkt einer kontroversen Debatte. Es geht um den drohenden Abriss des Audimax an der ehemaligen Ingenieurschule, einem Gebäude, das in den 1960er Jahren von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg entworfen und durch die Fassadengestaltung des Malers Günter Fruhtrunk zu einem symbolträchtigen Denkmal der Nachkriegsmoderne wurde. Doch das Schicksal dieses Kulturdenkmals ist ungewiss, und die Kunstwelt zeigt sich besorgt.

Das Audimax gilt als eine der bedeutendsten Symbiosen von Architektur und Kunst der Nachkriegszeit. Fruhtrunk, bekannt für seine geometrischen und farbenfrohen Kompositionen, gestaltete die Fassade des Gebäudes 1969. Diese Fassadengestaltung ist ein herausragendes Beispiel für Kunst am Bau, eine Bewegung, die die Einbindung künstlerischer Werke in die Architektur förderte. Doch während das Gebäude von außen durch die kraftvolle Farbgestaltung besticht, droht es innen der Abrissbirne zum Opfer zu fallen.

Günter Fruhtrunk und das Erbe der Nachkriegsmoderne

Günter Fruhtrunk, geboren 1923 in München, war einer der einflussreichsten deutschen Maler der Nachkriegszeit. Seine Werke sind bekannt für ihre klare Geometrie und die intensive Verwendung von Farben. Fruhtrunks Schaffen wurde stark von der amerikanischen Nachkriegskunst und dem europäischen Informel beeinflusst. Er schuf dynamische, rhythmisch strukturierte Bilder, die die Wahrnehmung des Betrachters herausforderten und ein tiefes Verständnis für Raum und Form offenbarten.

Seine Arbeit am Audimax stellt dabei nicht nur ein künstlerisches Meisterwerk dar, sondern spiegelt auch den Wunsch nach einem ästhetischen Wiederaufbau in der Nachkriegs-Bundesrepublik wider. Florian Illies bezeichnete Fruhtrunks Werk als Teil des „ästhetischen Wiederaufbauprogramms“. Diese Arbeiten trugen maßgeblich dazu bei, die Wunden des Krieges auf symbolischer Ebene zu heilen und dem öffentlichen Raum neuen Glanz zu verleihen.

Abriss oder Erhalt? Die kulturelle Dimension

Die Entscheidung, das Audimax abzureißen, stößt nicht nur auf Widerstand seitens der Kunstwelt, sondern auch bei Denkmalschützerinnen und Denkmalschützern, die den kulturellen Wert des Gebäudes betonen. Fruhtrunks Fassadenkunst wird von vielen als wichtiges Erbe der Nachkriegsmoderne angesehen, das bewahrt werden muss. Doch die Stadt Düsseldorf scheint in einem inneren Konflikt zu stehen: Die baulichen Mängel des Audimax machen eine Sanierung teuer und aufwendig, der Abriss scheint wirtschaftlich attraktiver. Die Argumente der Gegnerinnen und Gegner des Erhalts lassen sich oft auf zwei Aspekte reduzieren: Funktionalität und Finanzen.

Befürworterinnen und Befürworter des Abrisses führen die Notwendigkeit moderner Lehr- und Lernräume an, die das Audimax in seiner jetzigen Form nicht bieten kann. Zudem wird argumentiert, dass die Kosten für eine Renovierung in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen würden. Doch diese Sichtweise vernachlässigt die kulturelle und ästhetische Bedeutung des Gebäudes. Der Abbruch des Audimax würde nicht nur eine bedeutende künstlerische Leistung zerstören, sondern auch ein Stück kultureller Identität der Stadt Düsseldorf unwiederbringlich auslöschen.

Kunst am Bau: Mehr als nur Dekoration

Fruhtrunks Gestaltung des Audimax ist weit mehr als bloße Dekoration. Die Fassade, geprägt von leuchtenden Farben und geometrischen Formen, vermittelt Dynamik und Energie – Eigenschaften, die besonders in einem Bildungsumfeld von großer Bedeutung sind. Kunst am Bau war in den 1960er Jahren nicht nur eine künstlerische Strömung, sondern ein bewusstes Bestreben, Kunst und Architektur zu vereinen und den urbanen Raum ästhetisch aufzuwerten. Das Audimax ist ein Paradebeispiel für diese Philosophie und zeigt, wie Kunst die Atmosphäre eines öffentlichen Raumes beeinflussen kann.

Doch diese Einzigartigkeit droht verloren zu gehen. Die Stadt Düsseldorf steht vor einer Entscheidung, die nicht nur das Schicksal eines Gebäudes betrifft, sondern die Wertschätzung von Kunst und Architektur im öffentlichen Raum im Allgemeinen. Der Denkmalschutz hat das Audimax zwar als bedeutend eingestuft, doch ein endgültiger Schutzstatus ist noch nicht beschlossen.

Der Verlust für Düsseldorf und die Kunstwelt

Düsseldorf, eine Stadt, die sich gern als Kulturmetropole inszeniert, droht mit dem Abriss des Audimax ein wertvolles Stück ihrer eigenen Geschichte zu verlieren. In einer Zeit, in der immer mehr historische Gebäude abgerissen werden, um Platz für neue, oft austauschbare Bauwerke zu machen, stellt sich die Frage, welchen Wert wir als Gesellschaft noch dem kulturellen Erbe beimessen.

Die Vernichtung historischer Bauwerke ist nicht nur aus ökologischer Sicht problematisch – die Energie, die für Abriss und Neubau benötigt wird, ist immens –, sondern auch aus kultureller Sicht ein Desaster. Jedes Gebäude, das abgerissen wird, bedeutet auch den Verlust eines Teils unseres kollektiven Gedächtnisses. Das Audimax ist ein symbolträchtiges Werk der Nachkriegsarchitektur und -kunst, das nicht einfach durch ein modernes, funktionales Gebäude ersetzt werden kann.

Eine Chance für die Zukunft

Der Erhalt des Audimax bietet die Möglichkeit, ein Zeichen für die Wertschätzung von Kunst im öffentlichen Raum zu setzen. Es könnte zu einem Ort des Dialogs zwischen Vergangenheit und Zukunft werden, an dem Kunst, Architektur und Bildung miteinander verknüpft werden. Durch eine behutsame Sanierung könnte das Gebäude den modernen Anforderungen gerecht werden, ohne seine kulturelle Identität zu verlieren. Initiativen und Petitionen haben bereits begonnen, das Bewusstsein für den Wert des Audimax zu schärfen und für dessen Erhalt zu kämpfen.

Der drohende Abriss ist somit nicht nur eine architektonische Entscheidung, sondern ein Symbol für den Umgang mit unserem kulturellen Erbe. Düsseldorf hat die Chance, als Vorreiterin im Denkmalschutz zu agieren und ein Zeichen gegen den Trend der Vernichtung von Nachkriegsarchitektur zu setzen.

Fazit

Die Entscheidung über das Schicksal des Audimax in Düsseldorf wird nicht nur die Stadtlandschaft verändern, sondern auch ein starkes Signal darüber aussenden, welchen Stellenwert Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft haben. Günter Fruhtrunks Werk verdient es, erhalten zu bleiben – nicht nur als Denkmal der Nachkriegsmoderne, sondern als lebendiges Zeugnis für den Wert von Kunst am Bau und als Symbol für den fortwährenden Dialog zwischen Vergangenheit und Zukunft.


Dieser Artikel beleuchtet die tiefgreifende Bedeutung von Fruhtrunks Werk und die kulturellen Konsequenzen des drohenden Abrisses. Kunst und Architektur sind untrennbar mit unserer Geschichte verbunden – es liegt an uns, sie zu bewahren.