Baukunst - Wewelsfleth
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Energiewende unter Druck – Die riskante Mission SuedLink unter der Elbe

24.04.2025
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Ignatz Wrobel

Ein Tunnel unter Strom

Der SuedLink-Tunnel zwischen Wewelsfleth in Schleswig-Holstein und Wischhafen in Niedersachsen ist mehr als ein technisches Großprojekt – er ist ein Symbol für die Ambitionen der deutschen Energiewende. Seit dem ersten Spatenstich im September 2023 arbeitet eine Vielzahl an Spezialistinnen und Spezialisten an einer der herausforderndsten Infrastrukturanlagen des Landes: der unterirdischen Elbquerung der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ). Das Projekt steht nicht nur logistisch, sondern auch geologisch unter Hochspannung.

Millimetergenau in den Glimmerton

Die Zielbaugrube auf der niedersächsischen Elbseite wird von der PORR Spezialtiefbau GmbH im Auftrag des Netzbetreibers TenneT realisiert. Herzstück sind dort zwei getrennte Baugruben – eine für den künftigen Schacht, eine für das sogenannte Muffengebäude, in dem die Kabelverbindungen zusammengeführt werden. Beide müssen absolut dicht sein, da sie unterhalb des Grundwasserspiegels liegen. Dies gelingt durch bis zu 60 Meter tiefe Schlitzwände, gefertigt aus 100 bis 120 Zentimeter starkem Beton, die zusätzlich mit Stahlkonstruktionen gegen Erddruck gesichert werden.

Die technischen Anforderungen an die Schlitzwandherstellung sind gewaltig. Toleranzen im Millimeterbereich entscheiden darüber, ob die Baugrube trocken bleibt – oder geflutet wird. Eine besonders anspruchsvolle Aufgabe in einer Umgebung, in der Wind, Regen und aufgeweichter Boden die Arbeitsbedingungen täglich neu definieren.

Von Mikropfählen und Betonplatten

Für die kleinere Baugrube wurde bereits eine Unterwasserbetonplatte gegossen, die mit Mikropfählen gegen Auftrieb gesichert ist. Eine Maßnahme, die verdeutlicht, wie durchdacht jedes Bauelement aufeinander abgestimmt ist. Aktuell folgt die Errichtung von Kopfbalken und Brunnenanlagen sowie der Voraushub – ebenfalls unter erschwerten Bedingungen.

Dabei ist das System „Schlitzwand“ nicht neu, aber bewährt: In flüssigkeitsgestützten Erdschlitzen wird mittels Betonierverfahren eine tragfähige Wand erstellt, die sowohl Lasten aufnimmt als auch das Grundwasser fernhält. Die Technik eignet sich ideal für tief gelegene Baugruben – von U-Bahnstationen bis zu Großfundamenten – und bewährt sich nun auch unter dem Flussbett der Elbe.

Der Feind im Erdreich: Findlinge

Kurz vor Weihnachten 2023 erlebte das Team eine unangenehme Überraschung: In 27 Metern Tiefe stießen die Bauleute auf einen mehrere Tonnen schweren Granit-Gneis-Findling – ein Relikt aus der letzten Eiszeit. Dieses geologische Fossil, vor rund 15.000 Jahren aus Skandinavien hierher verfrachtet, ist zwar geologisch spannend, aber bautechnisch problematisch. Denn solche Hindernisse können den Tunnelvortrieb der rund 160 Meter langen Tunnelbohrmaschine „Elsa“, die sich seit Februar 2025 täglich rund zehn Meter durch den Boden frisst, erheblich verlangsamen – oder gar stoppen.

Arbeiten mit Wetterwarnung

Parallel dazu fanden auf der gegenüberliegenden Elbseite bereits 2024 erste Schlitzwandarbeiten statt. Hier wurden insgesamt 23 Betonwände mit jeweils sechs Metern Länge und 36 Metern Tiefe erstellt. Das Fundament für spätere Kabeltrommeln sicherten insgesamt 549 Verdrängungspfähle. Doch der Bau zeigte sich von seiner unbarmherzigen Seite: „Hohe und plötzlich auftretende Windlasten gefährden den Kranbetrieb. Der regennasse Boden erschwert die Bodenabfuhr, den Transport und die Baustellenlogistik“, so Robert Krause, Projektleiter bei PORR Deutschland. Ein Bauvorhaben, das sich täglich gegen die Natur behaupten muss.

SuedLink als Rückgrat der Energiewende

SuedLink ist mehr als ein Tunnel – es ist das Rückgrat eines zukünftigen Stromnetzes, das erneuerbare Energien vom windreichen Norden in den energiehungrigen Süden transportieren soll. Die zwei parallel geführten HGÜ-Erdkabel können gemeinsam bis zu vier Gigawatt Leistung übertragen – genug für rund zehn Millionen Haushalte.

Durch die Verwendung von Gleichstrom lassen sich Energieverluste minimieren, die Steuerbarkeit erhöhen und volatile Einspeisungen aus Wind- und Solarenergie effizienter ins Netz integrieren. Die Elbunterquerung ist damit nicht nur ein technisches Nadelöhr, sondern ein zukunftsweisender Teil eines dezentralen Energiesystems.

Ein Tunnel, viele Aufgaben

Der Tunnel selbst verläuft rund 20 Meter unter der Elbe und besteht aus vorgefertigten Betonelementen, den sogenannten Tübbingen, die ringförmig zusammengesetzt werden. Auf beiden Seiten entstehen zusätzlich 21 Meter tiefe Schachtgebäude und Muffengebäude, die den Strom in den Tunnel einspeisen. Lüftungsanlagen, Lagerflächen und Wartungseinrichtungen komplettieren die technische Infrastruktur.

Bis zum Sommer 2025 soll die Zielbaugrube vollständig abgeschlossen sein. Dann beginnt der Durchbruch des Tunnels von Niedersachsen nach Schleswig-Holstein – ein Moment, der nicht nur Bauingenieurinnen und Bauingenieure begeistert, sondern auch als sichtbarer Fortschritt der Energiewende gewertet werden darf.

Fazit: Fortschritt mit Widerstand

Die Elbunterquerung der SuedLink-Trasse zeigt exemplarisch, wie technische Innovation, geologische Herausforderungen und politischer Wille aufeinandertreffen. Der Baugrund, der Wind, die Witterung – all das verlangt dem Projektteam höchste Präzision, Flexibilität und Resilienz ab. Doch gerade diese Hindernisse machen das Projekt zu einem bemerkenswerten Kapitel deutscher Ingenieurskunst. SuedLink unterquert nicht nur einen Fluss – es durchquert die Hindernisse einer neuen Zeit.