
Münchens stille Revolution: Warum Umbaukultur mehr ist als nur ein Trend – und wo sie an Grenzen stößt
München, lange bekannt für seine dynamische Bauwirtschaft und den raschen Abriss alter Bausubstanz, erlebt eine architektonische Wende. Stadtbaurätin Elisabeth Merk setzt seit Jahren auf Umbau statt Neubau – nicht aus Nostalgie, sondern aus ökologischer Notwendigkeit. Die Bauwirtschaft verschlingt weltweit die meisten Ressourcen, und jeder Abriss bedeutet nicht nur Materialverlust, sondern auch CO₂-Ausstoß. Doch wie gelingt der Spagat zwischen Denkmalschutz, bezahlbarem Wohnraum und moderner Architektur? Und wo scheitert die Umbaukultur an politischen, wirtschaftlichen oder historischen Hürden?
Erfolgreiche Projekte: Wenn aus Alt Neu wird
1. DAV-Bundesgeschäftsstelle in Parkstadt Schwabing
Das ehemalige Bürogebäude in der Parkstadt Schwabing, heute Sitz des Deutschen Alpenvereins (DAV), ist ein Paradebeispiel für gelungene Revitalisierung. Statt den Betonkern abzureißen, wurde er erhalten, aufgestockt und mit einem Atrium sowie einem Holzgerüst an der Fassade versehen. Das Ergebnis: ein energieeffizientes Gebäude, das weniger Treibhausgase ausstößt und sogar CO₂ langfristig bindet. Besonders bemerkenswert: Die Umbaukosten lagen unter denen eines Neubaus – ein Argument, das auch Investoren überzeugt.
2. Ehemaliges Bahnausbesserungswerk in Neuaubing
Hier entstand aus einer denkmalgeschützten Industriehalle ein High-Tech-Standort für Laserkommunikationssysteme. Die Sanierung bewahrte nicht nur die historische Substanz, sondern schuf auch moderne Arbeitswelten. Die Herausforderung: Denkmalschutz und moderne Nutzung unter einen Hut zu bringen. Das Ergebnis zeigt, dass Umbaukultur nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein kann.
3. Klimaquartier Ramersdorf
Das ehrgeizigste Projekt der Münchner Wohnen: Bis Mitte der 2030er Jahre sollen 916 Wohnungen energetisch saniert und modernisiert werden. Durch Aufstockungen entstehen 260 zusätzliche, barrierefreie Wohnungen. Das Ziel ist ein klimaneutrales Quartier, das bezahlbaren Wohnraum schafft und die Lebensqualität erhöht. Der Siegerentwurf eines Wettbewerbs setzt auf Erhalt der Bestandsgebäude und Aufwertung des Freiraums – ein Modell für andere Städte.
Wo die Umbaukultur an Grenzen stößt
1. Denkmalschutz vs. Modernisierung
Nicht jedes Projekt verläuft reibungslos. Das geplante Hochhaus am Mittleren Ring, das auf eine denkmalgeschützte Fabrikhalle aufgesetzt werden sollte, scheiterte an der Stadtgestaltungskommission. Der Grund: Die historische Substanz drohte zur „Manschette“ des Neubaus zu werden. Hier zeigt sich, dass Denkmalschutz nicht nur ästhetische, sondern auch ethische Fragen aufwirft – besonders, wenn Gebäude wie die ehemalige Hesselberger Lederfabrik eine NS-Vergangenheit haben.
2. Wirtschaftliche Interessen
Trotz aller ökologischen Vorteile: Büros bringen höhere Mieteinnahmen als Wohnungen. Die Umwandlung von Büroflächen in Wohnraum stockt daher oft an finanziellen Hürden. Die Stadt versucht gegenzusteuern, etwa mit dem Leitfaden „Office to Housing“, der Investoren Anreize bieten soll. Doch ohne politische Rahmenbedingungen bleibt der Umbau oft die Ausnahme.
3. Akzeptanz in der Bevölkerung
Während Fachleute die Umbaukultur feiern, stößt sie in der Öffentlichkeit nicht immer auf Begeisterung. Projekte wie das Klimaquartier Ramersdorf zeigen, dass partizipative Planung und transparente Kommunikation entscheidend sind, um Skepsis abzubauen. Ohne die Unterstützung der Mieterinnen und Mieter scheitern selbst die besten Konzepte.
Münchens Umbaukultur: Ein Vorbild mit Macken
Elisabeth Merk und ihre Mitstreiter beweisen, dass Umbaukultur funktioniert – technisch, ökologisch und oft auch wirtschaftlich. Doch der Weg ist steinig: Denkmalschutz, Investoreninteressen und politische Rahmenbedingungen müssen im Einklang stehen. München zeigt, dass die Wende möglich ist, aber nur, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Die Frage bleibt: Wird die Umbaukultur zum Standard – oder bleibt sie ein Nischenthema für engagierte Pioniere?

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