Wie ein öffentlich-rechtlicher Sender sein kulturelles Erbe verscherbeln wollte
Es ist eine architektonische Wendung, die München in seinen Grundfesten erschüttert: Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege vollzieht eine bemerkenswerte Kehrtwende und stellt den BR-Studiobau an der Arnulfstraße unter Denkmalschutz. Ein Gebäude, das noch vor wenigen Jahren als abrisswürdig galt, mutiert zum schützenswerten Kulturgut.
Akustische Architektur von Weltrang
Der 1963 fertiggestellte Kubus mag von außen wie ein verschlossener Monolith wirken, doch sein Inneres birgt technische Raffinesse: Auf Federn gelagerte Decken und Wände schaffen eine akustische Isolation, die ihresgleichen sucht. Die Architekten Josef Wiedemann, Werner Eichberg und Otto Roth schufen damit ein baugeschichtliches Meisterwerk, das in seiner technischen Komplexität bis heute Maßstäbe setzt.
Kampf der Kulturen
Die Denkmalschutz-Entscheidung trifft den Bayerischen Rundfunk in seiner wirtschaftlichen Planung wie ein Hammerschlag. Der Sender kalkulierte mit dem Verkauf des nördlichen Areals, um seinen ambitionierten „Munich Media Hub“ zu finanzieren. Nun droht ein Verlust in zweistelliger Millionenhöhe – eine finanzielle Dimension, die das gesamte Zukunftskonzept ins Wanken bringt.
Nachhaltigkeit versus Neuanfang
Besonders pikant: Der BR präsentierte sich bisher als Vorreiter der Nachhaltigkeit. Das Konzept des „Munich Media Hub“ sollte Ressourcenschonung und klimafreundliche Sanierung vereinen. Nun steht der Sender vor einem Dilemma: Wie lässt sich der Erhalt eines energetisch problematischen Altbaus mit den selbstgesteckten Umweltzielen vereinbaren?
Die Kostenfalle
Ein internes Gutachten beziffert die Sanierungskosten auf etwa 300 Millionen Euro – eine Summe, die den wirtschaftlichen Druck auf den öffentlich-rechtlichen Sender weiter erhöht. Ab Mitte 2026 droht zudem der Verlust der Betriebserlaubnis aus brandschutztechnischen Gründen. Der Denkmalschutz wird damit zur doppelten Herausforderung: Er verhindert nicht nur den gewinnbringenden Verkauf, sondern erzwingt auch kostspielige Investitionen.
Kulturelles Erbe als Chance
Doch der vermeintliche Rückschlag birgt auch Chancen: Der BR-Studiobau reiht sich nun ein in die Liste bedeutender deutscher Rundfunkarchitektur, zu der auch die denkmalgeschützten Funkhäuser des WDR und des NDR gehören. Seine einzigartige Konstruktion und Akustik machen ihn zu einem herausragenden Zeugnis der Zeitgeschichte.
Fazit: Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklung
Der Fall des BR-Studiobaus symbolisiert einen grundlegenden Konflikt moderner Stadtentwicklung: Wie viel ist uns kulturelles Erbe wert? Die Entscheidung der Denkmalpfleger sendet ein klares Signal: Architektonische Qualität und technische Innovation verdienen Schutz – auch gegen wirtschaftliche Interessen.
Die Herausforderung wird nun sein, eine Balance zu finden zwischen Bewahrung und Modernisierung. Der BR steht vor der Aufgabe, sein architektonisches Erbe nicht als Last, sondern als Chance zu begreifen. Vielleicht liegt gerade darin die größte Innovation: im kreativen Umgang mit dem Bestehenden.