
Wenn Architektur und Kunst im Dialog das Ephemere feiern
Das Kunstmuseum Bonn wagt mit »From Dawn Till Dusk« einen bemerkenswerten Schritt: Die aktuelle Ausstellung macht den Schatten – jenes flüchtige Phänomen, das Architektinnen und Architekten seit jeher beschäftigt – zum Protagonisten einer vielschichtigen Kunstschau. Was auf den ersten Blick als rein künstlerische Auseinandersetzung erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als tiefgreifende Reflexion über die Grundbedingungen räumlicher Wahrnehmung.
Bonner Museumsarchitektur als Bühne
Die 1992 nach Plänen von Axel Schultes fertiggestellte Museumsarchitektur bietet für diese Thematik den idealen Rahmen. Die charakteristischen Oberlichter und die durchdachte Lichtführung des Gebäudes werden selbst zum Teil der Inszenierung. Hier zeigt sich eindrucksvoll, wie die rheinische Museumslandschaft – geprägt durch Häuser wie das Museum Ludwig in Köln oder die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf – eigene Wege in der Verbindung von Architektur und Kunstpräsentation geht. Die Kuratorinnen und Kuratoren nutzen geschickt die architektonischen Gegebenheiten: Schultes’ zurückhaltende, aber präzise Raumfolgen verwandeln sich in Laboratorien der Wahrnehmung.
Schatten als architektonisches Element
Was Architekturbüros heute mühsam in Renderings simulieren, wird hier zur lebendigen Erfahrung: Der Schatten als gestaltgebendes Element. Die Ausstellung führt vor Augen, was Peter Zumthor in seinen Therme Vals oder Tadao Ando in der Kirche des Lichts längst begriffen haben – dass der Schatten nicht die Abwesenheit von Licht ist, sondern dessen notwendiger Partner. In Zeiten, in denen die nordrhein-westfälische Bauordnung zunehmend Verschattungsstudien für Neubauten fordert, gewinnt diese künstlerische Auseinandersetzung zusätzliche Relevanz.
Regionale Bezüge und internationale Perspektiven
Die Bonner Schau reiht sich ein in eine bemerkenswerte Tradition rheinischer Institutionen, die sich mit Licht und Raum auseinandersetzen. Man denkt unweigerlich an die Lichtinstallationen im Gasometer Oberhausen oder an die subtilen Interventionen im Kolumba Museum von Peter Zumthor in Köln. Doch während diese Orte Licht als mystisches oder spirituelles Element inszenieren, wählt Bonn einen analytischeren, fast wissenschaftlichen Zugang. Die gezeigten „Rätselwerke” – so die treffende Charakterisierung der Ausstellungsmacher – fordern Besucherinnen und Besucher heraus, gewohnte Sehgewohnheiten zu hinterfragen.
Zwischen Kunst und Baukultur
Der „intelligente Humor”, den die Ausstellung verspricht, manifestiert sich in überraschenden Perspektivwechseln. Hier werden Schattenwürfe zu eigenständigen Kunstwerken, dort entstehen räumliche Illusionen, die an die Trompe-l’œil-Tradition barocker Deckenmalerei erinnern – ein geschickter Verweis auf die reiche Kunstgeschichte der Region. Diese spielerische Herangehensweise steht in wohltuendem Kontrast zur oft todernsten Diskussion um Belichtung und Besonnung in der zeitgenössischen Architekturpraxis.
Nachhaltigkeit durch Bewusstsein
In Zeiten, in denen Planungsbüros mit komplexen Simulationsprogrammen arbeiten, um optimale Tageslichtausbeute bei minimalem Energieverbrauch zu erreichen, erinnert die Ausstellung an die poetische Dimension dieser Berechnungen. Die Sensibilisierung für Licht und Schatten, die hier künstlerisch vermittelt wird, könnte durchaus zu einem bewussteren Umgang mit natürlichen Ressourcen in der Architektur beitragen. Gerade in Nordrhein-Westfalen, wo die Landesbauordnung verstärkt auf energieeffizientes Bauen setzt, gewinnt diese Perspektive an Bedeutung.
Didaktik ohne Zeigefinger
Besonders gelungen erscheint der didaktische Ansatz der Ausstellung. Ohne den erhobenen Zeigefinger akademischer Belehrung führt sie durch die Komplexität des Themas. Studentinnen und Studenten der nahen Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter oder der Fachhochschule Köln finden hier Anschauungsmaterial, das weit über die üblichen Lehrbuchbeispiele hinausgeht. Die Ausstellung schlägt Brücken zwischen den Disziplinen – ein Ansatz, der in der stark spezialisierten deutschen Hochschullandschaft noch immer zu selten praktiziert wird.
Kritische Anmerkungen
Bei aller Begeisterung für das kuratorische Konzept bleibt die Frage, ob die Ausstellung nicht eine Chance verpasst hat, expliziter auf die architektonischen Dimensionen des Themas einzugehen. Ein Dialog mit lokalen Architekturbüros oder Lichtplanern hätte zusätzliche Perspektiven eröffnen können. Auch die Einbindung zeitgenössischer Positionen aus der Region – etwa der Düsseldorfer Lichtkünstler oder der Kölner Medienkunstszene – hätte der Schau zusätzliche Aktualität verleihen können.
Fazit: Ein Muss für Raumgestalter
»From Dawn Till Dusk« ist mehr als eine Kunstausstellung – es ist eine Schule des Sehens für alle, die sich professionell mit Raum beschäftigen. Das Kunstmuseum Bonn beweist einmal mehr seine Relevanz als kultureller Leuchtturm in der Bundesstadt und darüber hinaus. Die Ausstellung vermittelt auf subtile Weise, was Juhani Pallasmaa in seinen Schriften zur Phänomenologie der Architektur theoretisch formuliert: dass Architektur nicht nur aus Materie, sondern ebenso aus Licht, Schatten und der Zeit dazwischen besteht.
Laufzeit
3. Juli bis 2. November 2025
Öffnungszeiten
- Dienstag bis Sonntag: 11–18 Uhr
- Mittwoch: 11–19 Uhr (verlängerte Öffnungszeit)
- Montags geschlossen
Eintrittspreise
- Regulär: 10,00 €
- Ermäßigt: 5,00 €
- Gruppen ab 10 Personen: 8,00 € pro Person (ermäßigt 4,00 €)
- Freier Eintritt: Kinder und Jugendliche bis einschließlich 18 Jahre
- Verbundkarte (Kunstmuseum Bonn + Bundeskunsthalle): 20,00 € / 10,00 € ermäßigt
Adresse und Anfahrt
Kunstmuseum Bonn Helmut-Kohl-Allee 2 53113 Bonn Tel.: +49 (0)228 / 776260
Öffentliche Verkehrsmittel:
- U-Bahn: Linien 16, 63, 66, 67, 68 – Haltestelle: Heussallee/Museumsmeile
- Bus: Linien 610, 611, 634 – Haltestelle: Heussallee/Museumsmeile
- Regionalbahn: RE 5, RB 26, 30, 48 – Haltestelle: Bonn UN Campus (wenige Gehminuten)
- Vom Hauptbahnhof Bonn: U-Bahn in Richtung Bad Godesberg/Königswinter, 5 Stationen
Parken:
- Parkhaus Museumsmeile: Emil-Nolde-Straße 11 (535 Stellplätze, täglich geöffnet)
- Behindertenparkplätze: Direkt vor dem Museum an der Helmut-Kohl-Allee 2-4
Barrierefreiheit
- Das Museum ist vollständig barrierefrei zugänglich
- Leihrollstühle an der Garderobe verfügbar
- Führungen für Blinde/Sehbehinderte und in Leichter Sprache auf Anfrage
- Assistenzhunde sind erlaubt
Begleitprogramm
- Regelmäßige Führungen
- Workshops für verschiedene Altersgruppen
- Spezielle Lehrerfortbildungen
- Schattentheater-Aufführungen im Rahmen der Ausstellung
Katalog
Zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag ein umfangreicher Katalog erschienen:
- Titel: “From Dawn Till Dusk – Der Schatten in der Kunst der Gegenwart”
- Herausgeber: Prof. Dr. Stephan Berg
- Sprachen: Deutsch/Englisch
- ISBN: 978-3-7774-4544-1
- Preis: 50,00 €
Sonderveranstaltungen
- Eröffnung: Mittwoch, 2. Juli 2025, 19:30 Uhr (Eintritt frei)
- Finissage: 2. November 2025 (Eintritt frei)
Wichtige Hinweise
- Taschen und Rucksäcke müssen an der kostenlosen Garderobe abgegeben werden
- Kleine Handtaschen für persönliche Gegenstände sind erlaubt
- Die Kasse schließt 30 Minuten vor Ende der Öffnungszeiten
Kontakt für Führungen und Bildungsprogramm
Tel.: 0228-776230 E-Mail: bildung.vermittlung@bonn.de
Die Ausstellung wird gefördert durch die Art Mentor Foundation Lucerne, die Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

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