Baukunst - Spielen für alle? Wie Legos Academy soziale Gräben überbrücken will
Masterpiece Galerie © LEGO House

Spielen für alle? Wie Legos Academy soziale Gräben überbrücken will

22.09.2025
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Ignatz Wrobel

Die demokratische Dimension des Bauens

Billund, einst ein vergessener Winkel Dänemarks mit gerade mal acht Bauernhöfen im 19. Jahrhundert, verkörpert heute eine bemerkenswerte urbanistische Erfolgsgeschichte. Die neue Masters Academy im Lego House, die diese Woche ihre Pforten öffnet, markiert dabei mehr als nur eine weitere Touristenattraktion. Sie steht symbolisch für eine Rückkehr zu den demokratischen Wurzeln des Spielens – und damit zu einer Form der Teilhabe, die in unserer durchdigitalisierten Gesellschaft zunehmend verloren geht.

Was Ole Kirk Christiansen 1932 in diesem abgelegenen Ort begann, war nicht weniger als eine stille Revolution der Kinderzimmer. Seine Idee, dass aus simplen Bausteinen unendliche Möglichkeiten entstehen können, demokratisierte das kreative Spielen. Heute, wo Lego-Sets oft zu hochpreisigen Puzzles mit Aufklebern verkommen sind, will die Masters Academy bewusst gegensteuern. Hier dürfen Kinder und Erwachsene wieder frei bauen, angeleitet von professionellen Master-Buildern, aber nicht eingeschränkt durch vorgefertigte Bauanleitungen.

Stadtentwicklung durch Spielsteine

Die Transformation Billunds von der dänischen Provinz zur internationalen Destination wirft fundamentale Fragen der Stadtentwicklung auf. Mit nicht einmal 8000 Einwohnerinnen und Einwohnern beherbergt der Ort heute eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Skandinaviens. Das 12.000 Quadratmeter große Lego House, entworfen vom Stararchitekten Bjarke Ingels, wurde binnen acht Jahren zu einem urbanen Magneten, der die soziale Infrastruktur einer ganzen Region prägt.

Die gestapelten Kuben des Gebäudes, die an überdimensionale Lego-Steine erinnern, fügen sich dabei erstaunlich organisch in die geduckten Dächer der Kleinstadt ein. Diese architektonische Symbiose zwischen globaler Markenidentität und lokaler Baukultur zeigt, wie partizipative Stadtplanung aussehen kann, wenn sie nicht von oben diktiert, sondern aus der Geschichte eines Ortes heraus entwickelt wird.

Soziale Durchmischung im Miniaturformat

Besonders aufschlussreich für die gesellschaftliche Dimension des Projekts ist die Miniaturwelt im Lego House. Diese dreidimensionale Wimmelbild-Installation, bestehend aus zigtausenden Steinen, bildet nicht nur asiatische Megalopolen oder tropische Inseln ab. Sie schafft eine Utopie der sozialen Durchmischung: Skispringer landen unter Palmen, Geschäftsleute eilen neben Straßenkünstlern durch die Gassen, Tag und Nacht wechseln sich ab wie in einer echten Metropole.

Diese spielerische Vermischung verschiedener Welten und Kulturen transportiert eine wichtige Botschaft: In der Lego-Welt gibt es keine sozialen Barrieren, keine Gentrifizierung, keine Verdrängung. Jede Figur, ob Bauarbeiterin oder Bankdirektor, besteht aus denselben Grundbausteinen.

Generationenübergreifende Partizipation

Die Masters Academy erweitert dieses Konzept um eine entscheidende Dimension: die generationenübergreifende Teilhabe. Während Spielzeug traditionell als Kinderdomäne gilt, öffnet sich hier ein Raum für erwachsene Profibauer und ambitionierte Amateurinnen. Diese bewusste Inklusion verschiedener Altersgruppen spiegelt einen größeren gesellschaftlichen Trend wider: die Auflösung starrer Generationengrenzen in kreativen Prozessen.

In Workshops, die an Fernsehstudios erinnern, entstehen neue Formen der Gemeinschaftsbildung. Menschen verschiedenen Alters arbeiten gemeinsam an Projekten, tauschen Techniken aus, lernen voneinander. Das ist besonders bemerkenswert in einer Zeit, in der digitale Medien Generationen oft eher trennen als verbinden.

Ökonomische Teilhabe versus elitärer Konsum

Kritisch zu hinterfragen bleibt allerdings die ökonomische Schwelle zur Partizipation. Mit ihren “happigen” Preisen, wie es im Fachjargon heißt, sind Lego-Produkte längst zum Statussymbol geworden. Die Masters Academy mag zwar kreative Freiheit predigen, doch der Zugang zu dieser Freiheit bleibt eine Frage des Geldbeutels.

Interessanterweise unterscheidet sich hier das Lego House fundamental vom benachbarten Legoland. Während im Vergnügungspark die selbstgebauten Ferrari-Modelle nach dem obligatorischen Foto wieder “zerbröselt” werden, dürfen Besucherinnen und Besucher der Masters Academy ihre Kreationen mit nach Hause nehmen. Diese scheinbar kleine Geste hat große symbolische Bedeutung: Sie anerkennt den Wert individueller Kreativität und macht aus Konsumenten wieder Produzentinnen und Produzenten.

Billund als Modell nachhaltiger Urbanisierung?

Die Entwicklung Billunds wirft die Frage auf, ob hier ein Modell für nachhaltige Stadtentwicklung entstanden ist. Ein Weltkonzern, der seine Wurzeln nicht vergisst, sondern den Ursprungsort zum globalen Zentrum macht – das widerspricht allen Logiken der Globalisierung. Während Lego Fabriken in Ungarn, Tschechien, Mexiko und China betreibt, bleibt das kreative Herz in der dänischen Provinz.

Mit 730 Millionen produzierten Miniaturrädern jährlich mag Lego zwar der größte Reifenhersteller der Welt sein, doch die eigentliche Produktion findet woanders statt. Billund produziert Ideen, Erlebnisse, Erinnerungen. Diese immaterielle Wertschöpfung könnte ein Zukunftsmodell für postindustrielle Kleinstädte sein.

Fazit: Baustein einer neuen Gesellschaft?

Die Masters Academy in Billund ist mehr als eine Touristenattraktion. Sie verkörpert eine Vision von Gesellschaft, in der Kreativität demokratisiert, Generationen verbunden und lokale Identitäten global relevant werden. Ob sich ein Besuch lohnt? Für alle, die verstehen wollen, wie aus 20 Stecksteinen nicht nur ein Haus, ein Storch oder ein Schiff entstehen kann, sondern möglicherweise auch eine neue Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens, ist die Antwort eindeutig ja.

 

Kontakt

Lego House Ole Kirks Plads 1 7190 Billund, Dänemark Tel: +45 8282 0400 Email: guestservices@legohouse.com

Öffnungszeiten

Lego House:

  • Täglich 10:00-18:00 Uhr (Hauptsaison bis 20:00)
  • Letzter Einlass 1 Stunde vor Schließung
  • 24.-26. Dezember geschlossen

Masters Academy:

  • Workshop-Zeiten variieren (Voranmeldung erforderlich)
  • Sessions: 90-180 Minuten je nach Programm
  • Altersgruppen: 6-12 Jahre, 13+, Erwachsene

Eintrittspreise

Lego House:

  • Erwachsene: 299 DKK (ca. 40 €)
  • Kinder (3-12): 299 DKK
  • Unter 3 Jahre: Gratis
  • Familienticket (2+2): 999 DKK (ca. 134 €)
  • Öffentlicher Bereich (Square): Kostenlos

Masters Academy Workshops:

  • Basis-Workshop: ab 199 DKK (ca. 27 €) zusätzlich
  • Premium-Sessions: 399-599 DKK (ca. 54-80 €)
  • Inklusive: Alle gebauten Modelle zum Mitnehmen

Buchung:

  • Online-Tickets empfohlen (10% Rabatt)
  • Masters Academy: Vorab-Buchung essentiell
  • www.legohouse.com