
Die Fassade als Fallstrick
Wenn Architektur zu auffällig ist, wird sie schnell zum Zankapfel. So geschehen in Bonn: Ein preisgekröntes Hochhausprojekt wird zum juristischen Brennpunkt, als ein anderes Büro behauptet, das gestalterische Prinzip der Fassade sei ein Plagiat. Über zwei Millionen Euro Nutzungsgebühren stehen plötzlich im Raum. Die Vorwürfe: Die markanten vertikalen Lisenen, rhythmisch gesetzten Fensterelemente und das changierende Fassadenbild seien keine originäre Idee, sondern eine Übernahme eines älteren Projekts.
Architektur zwischen Originalität und Wiederholung
Das Landgericht Köln musste entscheiden, ob diese architektonische Handschrift tatsächlich ein „geistiges Eigentum“ im Sinne des Urheberrechts darstellt – oder ob hier schlicht ein universelles, vielfach variiertes Motiv weiterentwickelt wurde. Denn eines ist klar: Architektur bewegt sich selten im Vakuum. Sie greift auf, zitiert, variiert. Genau das tat auch das beklagte Büro und belegte dies mit einer minutiösen Recherche.
Recherche als rettender Anker
Das Verteidigungskonzept: ein globales Archiv vergleichbarer Fassaden, von New York bis Tokyo, von den 1960ern bis in die Gegenwart. Das Gericht ließ sich überzeugen. Die Wiedererkennbarkeit einzelner Elemente reichte nicht aus, um eine originäre schöpferische Leistung zu erkennen. Der Rückgriff auf bekannte Formmuster und ein fehlender individueller Stilbruch ließen aus Sicht des Gerichts keinen urheberrechtlichen Schutz zu.
Was schützt das Urheberrecht wirklich?
Das deutsche Urheberrecht, geregelt im UrhG, schützt Werke der Baukunst nur, wenn sie eine sogenannte Schöpfungshöhe erreichen – also eine individuelle, geistige Schöpfung darstellen. Der Maßstab ist hoch: Eine gewisse Originalität muss vorhanden sein, die sich vom rein Handwerklichen abhebt. Dass ein Gebäude preisgekrönt und medienpräsent ist, reicht nicht. Entscheidend ist nicht die Wirkung, sondern die gestalterische Substanz.
Rechte, die bleiben – und Rechte, die vergehen
Selbst wenn ein Bauherr Eigentümer des Gebäudes ist, verbleibt das Urheberrecht grundsätzlich beim Architekten oder der Architektin. Doch dieses Recht ist nicht absolut. Die Realität auf Baustellen und in der Nachverdichtung sieht oft anders aus: Umbauten, Anbauten, Änderungen – manchmal ohne Rücksprache. Was viele nicht wissen: Auch nach Fertigstellung hat der Entwerfende ein Mitspracherecht, wenn es um Veränderungen am Werk geht (§ 14 UrhG).
Was bedeutet das Urteil?
Das Urteil des LG Köln (Az. 14 O 348/21) ist ein Signal: Wer urheberrechtlichen Schutz für sich beansprucht, muss nicht nur den eigenen Entwurf belegen, sondern auch beweisen, dass dieser eine gewisse gestalterische Eigenständigkeit aufweist. Der Schutz darf nicht inflationär ausgedehnt werden – auch nicht im Nachhinein durch Lob und Preise.
Konsequenzen für die Praxis
Architektinnen und Architekten tun gut daran, in frühen Projektphasen zu dokumentieren, worin das Besondere ihres Entwurfs liegt. Gleichzeitig zeigt der Fall: Auch gegen Vorwürfe der Plagiatsverletzung lässt sich argumentieren – mit Recherche, Kontextwissen und einem Verständnis für gestalterische Traditionslinien.
Fazit
Das Urheberrecht in der Architektur ist kein starres Bollwerk, sondern ein bewegliches Regelwerk. Es schützt nicht jeden Entwurf – aber es schützt Originalität. Der Bonner Fassadenfall erinnert daran, dass Architektur immer auch ein Dialog mit der Vergangenheit ist. Wer mit Formen spricht, muss auch mit Kritik rechnen – aber nicht jede Ähnlichkeit ist gleich ein Diebstahl.

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