
Ein architektonisches Kunststück an der Lichtentaler Allee
Die vollständige Grundsanierung eines über hundertjährigen Grandhotels bei laufendem Betrieb gleicht einem chirurgischen Eingriff am offenen Herzen. Das Brenners Park-Hotel & Spa in Baden-Baden hat diese Herkulesaufgabe zwischen Oktober 2023 und 2024 gemeistert – und dabei ein Paradoxon geschaffen: Eine Renovation, die alles verändert und doch nichts sichtbar macht.
Die DNA des Ortes bewahren
Baden-Baden, seit 2021 Teil des UNESCO-Welterbes der „Great Spa Towns of Europe”, stellt besondere Anforderungen an bauliche Eingriffe. Die Landesbauordnung Baden-Württembergs in Verbindung mit strengen Denkmalschutzauflagen fordert hier einen Spagat zwischen zeitgemäßer Haustechnik und historischer Substanz. Bergit Gräfin Douglas, die als Innenarchitektin die Neugestaltung verantwortete, löste diese Aufgabe mit bemerkenswerter Sensibilität.
Die Wahl monochromer Wandfarben in klassischen Nuancen des 19. Jahrhunderts mag auf den ersten Blick konservativ erscheinen. Tatsächlich handelt es sich um eine raffinierte Strategie: Die historischen Farbpaletten der Kurarchitektur Baden-Badens werden nicht kopiert, sondern zeitgenössisch interpretiert. Diese Herangehensweise respektiert die regionale Bautradition der Bäderarchitektur, ohne in museale Erstarrung zu verfallen.
Unsichtbare Modernisierung als Meisterleistung
Der eigentliche architektonische Coup liegt in der technischen Erneuerung. Sieben monumentale Versorgungsschächte wurden in das historische Gebäude integriert, ein separater Personalaufzug eingebaut, komplett neue Sanitär- und Belüftungsanlagen installiert. Diese massiven Eingriffe in die Bausubstanz bleiben für Gäste unsichtbar – ein Triumph der Planungskunst.
Die Herausforderung lag nicht nur in der Statik eines Gebäudes aus der Gründerzeit, sondern auch in der topografischen Lage. Das Hotel schmiegt sich an den sanften Hang zur Oos, eingebettet in die Parklandschaft der Lichtentaler Allee. Diese für Baden-Baden typische Verschmelzung von Architektur und Landschaftsraum durfte durch die Baumaßnahmen nicht gestört werden. Die Lösung: Alle schweren Eingriffe erfolgten von innen heraus, die Fassade blieb während der gesamten Bauzeit intakt.
Regionale Handwerkskunst trifft internationale Standards
Ein bemerkenswertes Detail der Renovation ist die Rettung historischer Tapeten. Statt diese zu entsorgen, transformierte man sie in individuelle Reisebegleiter – handgefertigte Notizbücher mit Fragmenten der Originaltapeten aus den jeweiligen Zimmern. Diese Geste verkörpert eine spezifisch baden-württembergische Tugend: die Verbindung von Sparsamkeit, Handwerkskunst und Wertschätzung für Geschichte.
Die Einbindung regionaler Betriebe zeigt sich auch in der täglichen Hotelpraxis. Die Brötchen stammen von der Bäckerei Böckeler aus Bühl, der Kaffee aus Achern, der Honig vom hauseigenen Imker aus Kuppenheim. Diese Verflechtung mit der Region ist mehr als Marketing – sie ist Ausdruck einer Baukultur, die Architektur nicht isoliert betrachtet, sondern als Teil eines lebendigen Gefüges versteht.
Das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation
Die architektonische Nachbarschaft des Hotels verdeutlicht das kreative Spannungsfeld Baden-Badens: Direkt gegenüber erhebt sich das Museum Frieder Burda, ein puristischer Kubus von Richard Meier aus dem Jahr 2004. Statt eines Konflikts entsteht ein Dialog zwischen historischer Grandhotelarchitektur und zeitgenössischer Museumsarchitektur – ein Sinnbild für die Planungskultur der Kurstadt, die Altes und Neues nicht als Gegensatz, sondern als Bereicherung versteht.
Die Villa Stephanie, die während der Renovierung des Haupthauses als Ausweichquartier diente, zeigt exemplarisch den regionalen Umgang mit historischer Bausubstanz. Das 2015 auf 5000 Quadratmetern eingerichtete Luxus-Spa verbindet historische Villenarchitektur mit modernster Wellness-Technologie – ohne dass die ursprüngliche Raumstruktur aufgegeben wurde.
Nachhaltigkeit durch Bestand
In Zeiten des Klimawandels gewinnt die Entscheidung zur Bestandssanierung zusätzliche Relevanz. Die graue Energie des historischen Gebäudes bleibt erhalten, während die technische Modernisierung den Energieverbrauch drastisch reduziert. Die neuen Belüftungsanlagen arbeiten mit Wärmerückgewinnung, die Sanitäranlagen entsprechen modernsten Wassersparstandards.
Diese Form der Nachhaltigkeit entspricht der baden-württembergischen Bautradition des „Häusle-Bauens” – der sorgsame Umgang mit Ressourcen und die Pflege des Bestehenden haben hier kulturelle Wurzeln. Das Brenners verkörpert diese Haltung auf Luxusniveau: Bewahrung ohne Stillstand, Innovation ohne Zerstörung.
Ein Modell für sensible Hotelsanierungen
Die Renovation des Brenners Park-Hotels könnte Modellcharakter für ähnliche Projekte in anderen deutschen Kurorten entwickeln. Von Wiesbaden über Bad Homburg bis Bad Kissingen stehen historische Grandhotels vor ähnlichen Herausforderungen: Wie lässt sich die Aura des Ortes bewahren und gleichzeitig zeitgemäßer Komfort bieten?
Die Baden-Badener Lösung zeigt: Es bedarf eines interdisziplinären Teams aus Denkmalpflegern, Architekten und Fachplanern, das die spezifischen Qualitäten des Ortes versteht. Die enge Zusammenarbeit mit lokalen Handwerksbetrieben und die Wertschätzung regionaler Bautraditionen sind dabei keine romantische Folklore, sondern praktische Notwendigkeit. Nur wer die lokalen klimatischen Bedingungen, die historischen Bautechniken und die kulturellen Erwartungen kennt, kann eine Sanierung durchführen, die mehr ist als technische Ertüchtigung.
Fazit: Die Zukunft liegt in der Vergangenheit
Das Brenners Park-Hotel beweist, dass Denkmalschutz und Luxushotellerie keine Gegensätze sein müssen. Die gelungene Synthese aus Bewahrung und Erneuerung zeigt einen Weg auf, wie historische Bausubstanz für kommende Generationen erhalten werden kann – ohne museale Erstarrung, aber mit Respekt vor der Geschichte. In einer Zeit, in der Abriss und Neubau oft als einfachste Lösung erscheinen, setzt Baden-Baden ein Zeichen für die behutsame Transformation. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern auch ökonomisch sinnvoll: Die Authentizität historischer Grandhotels lässt sich nicht nachbauen, nur bewahren.

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