Baukunst-Zwischen Fortschritt und Risiko: Hamburg reformiert die Bauordnung
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Zwischen Fortschritt und Risiko: Hamburg reformiert die Bauordnung

22.12.2024
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stu.ART

 

Revolution im Baurecht: Was Hamburgs neue HBauO für die Bauwirtschaft bedeutet

Hamburg hat mit der Reform der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) einen ambitionierten Schritt unternommen, um Bauprozesse zu vereinfachen und den Weg für innovative Baukonzepte zu ebnen. Doch so verheißungsvoll die Pläne auch klingen, sie werfen Fragen nach möglichen Risiken und unbeabsichtigten Folgen auf.

Neuerungen im Überblick

Die HBauO, deren Inkrafttreten für Anfang 2026 geplant ist, bringt eine Vielzahl von Änderungen mit sich:

  1. Bauen im Bestand:

Bislang mussten bauliche Anpassungen in Bestandsgebäuden oftmals den Standards von Neubauten entsprechen, was Projekte sowohl kostspielig als auch zeitaufwendig machte. Die neue Regelung ermöglicht eine ressourcenschonendere Umnutzung, etwa die Umwandlung von Büroflächen in Wohnraum, ohne umfangreiche bauliche Nachrüstungen.

  1. Genehmigungsfreistellungen:

Für kleinere Wohngebäude, wie Einfamilienhäuser, genügt zukünftig eine Bauanzeige. Einen Monat nach Einreichung der Unterlagen kann der Bau beginnen. Dies verspricht eine deutliche Beschleunigung von Bauvorhaben.

  1. Innovatives und experimentelles Bauen:

Gebäude, die neue Wohnformen oder Bauweisen erproben, können genehmigt werden, auch wenn sie nicht alle Vorschriften erfüllen. Schutzziele wie Sicherheit und Nachhaltigkeit bleiben jedoch gewahrt.

  1. Mobilität neu gedacht:

Die Pflicht zur Schaffung von Kfz-Stellplätzen wird durch individuelle Mobilitätsnachweise ersetzt. Faktoren wie die Nähe zum öffentlichen Nahverkehr und die spezifischen Bedürfnisse der Nutzer stehen im Vordergrund.

  1. Mehr Barrierefreiheit:

Jede dritte Wohnung in Neubauten mit Aufzug muss künftig barrierefrei gestaltet sein, einschließlich der Balkone. Damit wird auf eine inklusivere Stadtentwicklung gesetzt.

  1. Genehmigungsfreiheit für bestimmte Anlagen:

Ab 2026 können Wärmepumpen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Balkonkraftwerke ohne gesonderte Genehmigung installiert werden.

Chancen der Reform

Die neuen Regelungen sind ein Schritt in Richtung ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen. Insbesondere das erleichterte Bauen im Bestand könnte die Abbruchrate bestehender Gebäude reduzieren und den CO₂-Ausstoß senken. Zudem fördert die HBauO den Einsatz innovativer Bauweisen und schafft Raum für Experimente, ohne dabei die Sicherheit zu gefährden.

Auch der Abbau bürokratischer Hürden, wie die Einführung von Genehmigungsfreistellungen, ist ein Signal an die Bauwirtschaft. Bauprojekte könnten schneller und effizienter realisiert werden, was angesichts des steigenden Bedarfs an Wohnraum dringend erforderlich ist.

Herausforderungen und Risiken

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Erleichterung von Vorschriften könnte dazu führen, dass langfristige Qualitätsstandards vernachlässigt werden. Kritiker befürchten, dass die Genehmigungsfreistellung zu weniger Kontrolle und möglicherweise zu Konflikten mit Nachbarn führen könnte.

Auch die Umsetzung der neuen Mobilitätskonzepte ist nicht ohne Hürden. Zwar sind individuelle Nachweise ein Fortschritt, doch wie praxistauglich diese im städtischen Alltag wirklich sind, bleibt abzuwarten. Es besteht die Gefahr, dass die Nachhaltigkeitsziele durch unklare oder uneinheitliche Kriterien untergraben werden.

Einfluss auf die Bauwirtschaft und Gesellschaft

Die HBauO könnte sich als Modell für andere Bundesländer etablieren. Hamburg hat sich an der Musterbauordnung der Länder (MBO) orientiert und trägt so zur angestrebten Harmonisierung des Bauordnungsrechts bei. Doch die Reform hat auch gesellschaftliche Dimensionen: Barrierefreiheit, nachhaltige Mobilität und ressourcenschonendes Bauen sind zentrale Themen, die weit über den Bauprozess hinausreichen.

Die Stadtentwicklung könnte durch die vereinfachten Verfahren einen Schub erhalten, doch dieser Fortschritt wird nur nachhaltig sein, wenn die Balance zwischen Innovation, Sicherheit und sozialer Verträglichkeit gewahrt bleibt.

Ein Blick in die Zukunft

Die HBauO zeigt, dass Hamburg den Mut hat, neue Wege zu gehen. Wenn die Reform gelingt, könnte sie als Blaupause für eine Bauwirtschaft dienen, die den Herausforderungen des Klimawandels und der wachsenden Urbanisierung gewachsen ist. Doch bis zur Einführung der neuen Regeln bleibt Zeit für Feinschliff – und für die Bauwirtschaft, sich auf die Veränderungen vorzubereiten.

Die Reform der HBauO ist mehr als eine Anpassung von Vorschriften: Sie ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Transformation und ein Test für die Fähigkeit, Tradition und Innovation zu vereinen. mehr…