Baukunst - Die »Arc de Trump« und die Erosion demokratischer Architekturkultur
Das Weisse Haus © Depositphotos_161730338_S

Die »Arc de Trump« und die Erosion demokratischer Architekturkultur

25.10.2025
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Stuart Rupert

Triumphale Selbstinszenierung: Architektur als Machtdemonstration

Wer in Washington 2026 unter einem Triumphbogen hindurchgeht, wandert durch die “Arc de Trump”. Eine goldene Freiheitsstatue mit Flügeln bekrönt das Bauwerk – Kitsch als politische Philosophie.

Der Kaiser ist nackt – auch wenn er Gold trägt

Es gibt Momente in der Architekturgeschichte, in denen der Verfall einer Kulturfähigkeit so offensichtlich wird, dass man sie dokumentieren muss wie einen Pathologen sein Präparat. Ein solcher Moment liegt vor. Nicht nur die Pläne für den geplanten Triumphbogen vor dem Lincoln Memorial, sondern die gesamte architektonische Strategie der gegenwärtigen US-Administration offenbaren ein fundamentales Missverständnis darüber, was Architektur in einer Demokratie sein sollte.

Die »Arc de Trump«, offiziell »Independence Arch« genannt, ist keine Feier der Unabhängigkeit. Sie ist die materialisierte Autobiografie eines Mannes, der – wie Trump selbst gegenüber einem Journalisten der CBS zugab – nach der Frage, für wen dieser Bogen gedacht sei, antwortete: »Me.« Vier Worte, die prägnanter ein Jahrhundert postmoderner Architekturtheorie zusammenfassen als alle akademischen Debatten es vermöchten.

Das Erschreckende liegt nicht primär in der Geschmacklosigkeit – obwohl die goldene Statue mit Freiheitsstatuen-Bezügen und Siegesgöttin-Reminiszenzen tatsächlich das Kitsch-Kriterium unterbietet. Das Erschreckende liegt in der Zweckentleerung eines architektonischen Typus. Der Triumphbogen war ursprünglich ein römisches Monument der Macht: Er feierte militärische Siege und sollte zugleich dem Senat Tribut zollen. Selbst unter Napoleon – dem offensichtlichen Vorbild – wurde das Bauwerk einer gewissen ideologischen Camouflage unterzogen. Es sollte auch die Gefallenen ehren, nicht nur die Macht des Kaisers.

Was Trump vorschlägt, ist die radikale Entkernung dieser Komplexität. Hier gibt es keine Ambivalenz, keine Spannung zwischen Individuum und Kollektiv. Es gibt nur: Trump. Und das ist genuinely autoritär – wobei der Begriff »Diktator-Chic« aus der Kritik von Kulturjournalistin Ulrike Knöfel genau diesen Sachverhalt beschreibt: nicht eine Diktatur per se, sondern deren Ästhetik als Stilmittel. Das ist oft gefährlicher, weil es normalisiert.

Doch es kommt noch schlimmer. Parallel zum Triumphbogen wird der Ballsaal im Weißen Haus realisiert – eine 200-Millionen-Dollar-Installation in Weiß, Gold und Marmor, die den kompletten historischen Ostflügel des Hauses zerstört. Hier zeigt sich das gesamte Programm: die Vernichtung demokratischer Raumtraditionen zugunsten einer neuen Ästhetik der Macht. Der Eastroom – historisch gebunden an die »Machtverteilung« – wird durch einen Ballsaal ersetzt, in den der Präsident 999 handverlesene Gäste einladen kann. Jedes Quadratmeter ist durchgestylt, jede Säule vergoldet – eine Hommage an die Ästhetik der Achtziger Jahre, wie Trump sie liebt.

Die Finanzierung dieses Unterfangens erfolgt durch »patriotische Spender« – in Wirklichkeit durch Silicon-Valley-Magnaten, die Zugang zum Präsidenten erkaufen. Eine nicht-transparente Finanzierung für ein öffentliches Monument – ein Skandal, der in jeder echten Demokratie zu Impeachment-Verfahren führen würde. Stattdessen wird diskret gebaut, während regulatorische Lücken genutzt werden und Behörden während eines Shutdowns »zufällig« offline sind.

Was bedeutet das für die Architekturkultur? Nach vier Jahrzehnten Berufserfahrung kann ich folgende Beobachtung treffen: Architektur ist nie politisch neutral, aber sie kann ethisch kompromittiert werden. Der Moment, in dem ein Architekt – und sei er noch so talentiert – sich dazu bereit erklärt, diese Projekte zu realisieren, kapituliert er vor dem Gedanken, dass Architektur eine gesellschaftliche Verantwortung hat. Nicolas Leo Charbonneau von Harrison Design hat mit seiner Mitarbeit eine Grenzlinie überschritten.

Das Executive Order zum klassischen Baustil, das Trump erlassen hat, ist die nächste Eskalationsstufe: Es diktiert nicht nur Geschmack, es diktiert Ideologie. »Was Diktatoren tun«, sagte die US-Kongressabgeordnete Dina Titus zurecht in einem Dezeen-Interview. Die Kontrolle über die Ästhetik ist die Kontrolle über die Gesellschaft. Brutalistarchitektur wird als Subversiv behandelt, klassische Formen als Ausdruck von »amerikanischen Werten«. Hier offenbaren sich die Kontinuitäten zu Albert Speer, zu Mussolinis Architektur der Macht, zu Hitlers Bogenplanungen für Berlin.

Die Frage, die sich jede Architektin und jeder Architekt stellen muss, ist: Werde ich zum Werkzeug einer autoritären Ästhetik? Oder bewahre ich noch den kritischen Abstand zu dem, was gebaut wird? Es ist eine generationelle Frage. Die jungen Architektinnen und Architekten wachsen in einer Welt auf, in der solche Machtsymbole als »normal« präsentiert werden. Das ist die größte Gefahr – nicht die kitschige Ausführung, sondern die Normalisierung des Autoritären.

Die »Arc de Trump« wird wahrscheinlich gebaut. Die Ballsäle werden wahrscheinlich fertiggestellt. Und ein Nachfolger – hoffentlich – wird diese Accessoires wieder entfernen. Aber die Bauten bleiben. Und sie werden, so leid es mir tut, zu sagen, die Architekturlandschaft des 21. Jahrhunderts prägen. Das ist nicht nur ein ästhetischer Verlust. Es ist ein moralischer.