Baukunst - Bauhaus neu gedacht: Kunst und Kontext im Fagus-Werk
© Marian Grabowski/Unsplash

Bauhaus neu gedacht: Kunst und Kontext im Fagus-Werk

22.12.2024
 / 
 / 
stu.ART

 

Ein Meisterwerk der Bauhaus-Architektur trifft auf zeitgenössische Kunst:

Die Ausstellung „Fassaden in Serie“ von Anna Fiegen in der Fagus-Galerie in Alfeld zeigt, wie Kunst und Architektur einander ergänzen und zu neuen Perspektiven inspirieren können. Im UNESCO-Welterbe Fagus-Werk, dem ersten modernen Industriebau von Bauhaus-Gründer Walter Gropius, entfaltet sich eine faszinierende Auseinandersetzung mit dem architektonischen Erbe.

Bauhaus-Architektur als Kunstmotiv

Die von Fiegen präsentierten 75 Ölmalereien und Druckgrafiken greifen die klaren Linien und geometrischen Strukturen der Bauhaus-Architektur auf. Dabei beschränkt sich die Künstlerin nicht auf eine reine Abbildung. Vielmehr löst sie die Architektur aus ihrem funktionalen Kontext und inszeniert sie neu – oft menschenleer, mit einem Spiel aus Licht und Schatten, das starke Hell-Dunkel-Kontraste erzeugt.

Besonders auffällig ist, wie Fenster und Türen in ihren Werken teils ausgelassen oder übermalt werden. Dadurch entsteht der Eindruck von Kulissen, die ihre reale Funktion verlieren. Diese bewusste Abstraktion verstärkt das Wechselspiel zwischen Räumlichkeit und Zweidimensionalität, das Fiegen durch den Einsatz von Farbe auf der Leinwand hervorruft.

Linolschnitte: Minimalismus mit Variation

Ergänzend zu ihren Gemälden zeigt Anna Fiegen auch handgedruckte Linolschnitte, die die architektonischen Motive weiter reduzieren. Hier treten Flächen und Farbkombinationen in den Vordergrund. Die Serie als Konzept wird in der Ausstellung mehrfach thematisiert: Motive und Farben wiederholen sich, variieren jedoch subtil, sodass aufmerksame Betrachterinnen und Betrachter Verbindungen zwischen den einzelnen Werken entdecken können.

Das Fagus-Werk als lebendes Denkmal

Das Fagus-Werk selbst, 1911 entworfen, gilt als wegweisendes Beispiel moderner Industriearchitektur. Die damals revolutionäre Verbindung aus Funktionalität und Ästhetik setzte Maßstäbe, die bis heute Architektinnen und Architekten inspirieren. Anna Fiegen schafft es, diese Prinzipien auf ihre Kunst zu übertragen, indem sie das Bauhaus-Erbe mit zeitgenössischen Ansätzen wie dem Brutalismus und utopischen Ideen der Nachkriegsmoderne verbindet.

Ein Blick hinter die Kulissen

Im Rahmen der Ausstellung, die vom 8. September 2024 bis zum 26. Januar 2025 läuft, bietet das Fagus-Werk den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit, tiefer in die Geschichte und Funktionalität dieses architektonischen Juwels einzutauchen. Stündliche Kurzführungen erlauben einen Blick hinter die Kulissen des „lebenden Denkmals“, das nach wie vor als Produktionsstätte genutzt wird.

Kunst im Dialog mit der Gesellschaft

Fiegens Arbeiten regen nicht nur zu einer ästhetischen Betrachtung an, sondern werfen auch Fragen zur Bedeutung von Architektur in der Gesellschaft auf. Wie wirken Gebäude auf uns, wenn sie aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgenommen werden? Welche Geschichten erzählen Fassaden, die wir im Alltag oft übersehen?

Ihre minimalistische Herangehensweise und der Fokus auf die Materialität der Farbe schaffen ein Spannungsfeld zwischen Kunst und Architektur. Dabei bleibt das Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Zeitlosigkeit, zwei Schlüsselgedanken der Bauhaus-Bewegung, stets präsent.

Ein Muss für Architektur- und Kunstliebhaberinnen und -liebhaber

Obwohl die Ausstellung viele Bezüge zur Bauhaus-Ästhetik aufweist, spricht sie nicht nur Bauhaus-Enthusiastinnen und -Enthusiasten an. Die Kombination aus visionärer Architektur und feinfühliger Kunst bietet einen Mehrwert für jede Person, die sich für das Zusammenspiel von Kultur, Geschichte und Innovation interessiert.

Die Ausstellung „Fassaden in Serie“ lädt dazu ein, Architektur aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten – als Kunst, als Erzählung und als Teil unserer Identität.

Praktische Informationen:

Die Ausstellung ist täglich geöffnet, bis einschließlich Oktober von 10 bis 17 Uhr, ab November von 10 bis 16 Uhr. Das Fagus-Werk bleibt am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar geschlossen. Kurzführungen am Eröffnungstag (8. September) kosten 3 € pro Person und bieten eine ideale Ergänzung zum Kunsterlebnis.