
Die BauGB-Novelle 2024: Ein Schritt in Richtung Zukunft?
Die jüngste Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) hat in der Architektur– und Bauwelt hohe Wellen geschlagen. Als erfahrener Architekt mit vier Jahrzehnten Berufserfahrung wage ich einen kritischen Blick auf die Neuerungen, die uns in den kommenden Jahren begleiten werden.
Der Wohnungsbau als Herzstück der Reform
Im Zentrum der BauGB-Novelle steht zweifellos die Beschleunigung des Wohnungsbaus. Die Bundesregierung hat erkannt, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu den drängendsten Problemen unserer Zeit gehört. Mit der Einführung des sogenannten „Bau-Turbos“ (§ 246e BauGB) sollen Genehmigungsverfahren in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt deutlich verkürzt werden. Ein lobenswerter Ansatz, der jedoch nicht ohne Risiken daherkommt.
Die Erleichterung von Gebäudeaufstockungen und Nachverdichtungen klingt zunächst vielversprechend. Als Architekten wissen wir um das enorme Potenzial, das in der Höhenentwicklung unserer Städte schlummert. Doch Vorsicht: Eine überhastete Verdichtung ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen und städtebauliche Qualitätenkönnte fatale Folgen haben. Hier sind wir als Planerinnen und Planer gefordert, mit Augenmaß und Kreativität nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Klimaschutz und Baurecht: Ein Spagat?
Erfreulich ist der verstärkte Fokus auf Klimaschutz und Klimaanpassung im Städtebaurecht. Die Einführung einer Anzeigepflicht für Ausgleichsmaßnahmen wie Baumpflanzungen oder Dachbegrünungen ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Maßnahmen ausreichen, um den immensen Herausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden.
Als Architekt, der zahlreiche Projekte von der Planung bis zur Fertigstellung begleitet hat, sehe ich die Gefahr, dass die neuen Regelungen die ohnehin komplexen Planungsprozesse weiter verkomplizieren könnten. Hier wäre weniger manchmal mehr gewesen – klare, einfach umzusetzende Richtlinien hätten möglicherweise eine größere Wirkung entfaltet.
Digitalisierung: Fluch oder Segen?
Die Vereinfachung und Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsprozessen klingt verlockend. Wer von uns hat nicht schon einmal über die schier endlosen Papierberge gestöhnt, die ein einziges Bauvorhaben produzieren kann? Doch Vorsicht: Die Digitalisierung ist kein Allheilmittel. Sie birgt die Gefahr, dass wichtige Details im Dickicht der Daten verloren gehen. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass Architektur und Städtebau von menschlicher Interaktion und Kreativität leben – Eigenschaften, die sich nur schwer in Algorithmen pressen lassen.
Der Teufel im Detail
Interessant ist die Einführung der neuen Nutzungskategorie „Musikclubs“ in der Baunutzungsverordnung. Ein augenzwinkernder Gruß an die Kulturszene? Vielleicht. Doch zeigt diese scheinbar kleine Änderung, wie sehr sich unsere Städte und die Ansprüche an den urbanen Raum gewandelt haben. Als ich vor 40 Jahren mein erstes Büro eröffnete, hätte niemand gedacht, dass wir einmal eigene Bauvorschriften für Techno-Tempel brauchen würden.
Kritische Stimmen und offene Fragen
Die Immobilienbranche begrüßt zwar die Aufnahme des „Bau-Turbos“, sieht die Novelle aber nicht als „großen Wurf“. Diese Einschätzung teile ich. Zu viele Kompromisse und zu wenig mutige Schritte prägen das Gesamtbild. Besonders das Festhalten am Umwandlungsverbot in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten stößt auf Kritik – und das zu Recht. Hier wurde eine Chance vertan, mehr Flexibilität in den Markt zu bringen.
Fazit: Ein Schritt nach vorn, aber kein Quantensprung
Die BauGB-Novelle 2024 ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Sie adressiert wichtige Themen wie Wohnungsmangel, Klimaschutz und Digitalisierung. Doch der große Wurf, den viele erhofft hatten, ist ausgeblieben. Als Architekt mit jahrzehntelanger Erfahrung sehe ich die Novelle als Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen – ein typisch deutsches Produkt, möchte man schmunzelnd hinzufügen.
Die wahre Herausforderung liegt nun darin, die neuen Regelungen in der Praxis umzusetzen. Hier sind wir Architektinnen und Architekten gefordert, mit Kreativität und Verantwortungsbewusstsein Lösungen zu entwickeln, die sowohl den gesetzlichen Anforderungen als auch den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden. Die BauGB-Novelle gibt uns neue Werkzeuge an die Hand – nutzen wir sie weise, um die Städte der Zukunft zu gestalten.

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