Baukunst-Das große Ringen um Berlins letzte Freiheit
Bild: Rodrigo Sümmer/Unsplash

Das große Ringen um Berlins letzte Freiheit

21.12.2024
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stu.ART

Zwischen Freiheit und Verdichtung: Das Tempelhofer Dilemma

Die Dimensionen sind gewaltig: 355 Hektar urbane Freifläche im Herzen einer Metropole – das entspricht etwa 500 Fußballfeldern. Seit der Schließung des Flughafens Tempelhof im Jahr 2008 ringt Berlin um die Zukunft dieses einzigartigen Areals. Nun startet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen neuen Anlauf: Ein internationaler Ideenwettbewerb soll bis Sommer 2025 Klarheit über die künftige Nutzung des Tempelhofer Feldes bringen.

Der Spagat der Interessen

Die Ausgangslage erscheint paradox: Einerseits schützt das 2014 per Volksentscheid beschlossene Tempelhofer-Feld-Gesetz die Fläche vor Bebauung. Andererseits sieht sich Berlin mit einem drastischen Wohnungsmangel konfrontiert. Die neue Regierungskoalition aus CDU und SPD versucht nun den Spagat zwischen Freiraumerhalt und Stadtentwicklung – mit dem Begriff der „behutsamen Randbebauung“ als urbanistischem Zauberwort.

Kreative Köpfe gesucht

Der ausgelobte zweiphasige Wettbewerb richtet sich an Architektinnen und Architekten, Stadtplanerinnen und Stadtplaner sowie Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten. Die Aufgabenstellung ist komplex: Die Entwürfe sollen sowohl Szenarien mit als auch ohne Randbebauung durchspielen. Dabei steht die klimagerechte Weiterentwicklung im Fokus – ein Aspekt, der angesichts der zunehmenden Extremwetterereignisse an Bedeutung gewinnt.

Zwischen Vision und Realität

Die Geschichte des Tempelhofer Feldes ist geprägt von gescheiterten Großprojekten. Von der kühnen Vision eines 1071 Meter hohen Kunstbergs bis zum Plan eines zwei Millionen Quadratmeter großen Sees – die Liste nicht realisierter Ideen ist lang. Selbst die geplante Zentral- und Landesbibliothek fiel dem Volksentscheid zum Opfer. Einzig temporäre Flüchtlingsunterkünfte durchbrachen bisher das strikte Bebauungsverbot.

Die Macht der Zahlen

Aktuelle Studien der FH Potsdam unter Leitung des Berliner Architekten Jan Kleihues zeigen das Potential: Zwischen 17.000 und 31.000 Wohnungen könnten am Rand des Feldes entstehen. Dies würde etwa ein Fünftel der Gesamtfläche beanspruchen – eine Dimension, die sowohl Chancen als auch Risiken birgt.

Dialog als Schlüssel

Bemerkenswert am aktuellen Verfahren ist der intensive Dialogprozess. Drei Werkstätten begleiten den Wettbewerb, die letzte soll im Juli 2025 die finalen Entwürfe diskutieren. Ob dieser Ansatz die verhärteten Fronten zwischen Bebauungsbefürwortern und -gegnern aufweichen kann, bleibt abzuwarten. Die Opposition, allen voran Grüne und Linke, sieht in der Bürgerbeteiligung bisher nur eine „Scheinbeteiligung“.

[Fortsetzung folgt…]