HOAI-Reform – Ein Ausblick auf die Zukunft einer veralteten und geschwächten Honorarordnung
Die Reform der Honorarordnung für Architektinnen und Ingenieure (HOAI) galt als dringend notwendig, doch mit dem Ende der Ampelregierung ist der Prozess zum Stillstand gekommen. In diesem Artikel betrachten wir die Hintergründe, die Bedeutung der Novellierung und mögliche Zukunftsszenarien – auch im Kontext der durch das EuGH-Urteil weggefallenen rechtlichen Wirksamkeit der Mindestsätze.
Ein System unter Druck: Warum die HOAI reformiert werden sollte
Die HOAI hat seit ihrer letzten umfassenden Überarbeitung im Jahr 2013 an Wirksamkeit und Bedeutung eingebüßt. Besonders schwer wiegt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019, das die verbindliche Gültigkeit der Mindest- und Höchstsätze kippte. Der EuGH entschied, dass die HOAI gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt, da sie den freien Markt und grenzüberschreitende Dienstleistungen einschränke.
Diese Entscheidung führte dazu, dass Architektinnen und Ingenieure nicht mehr auf Mindesthonorare pochen können, was ihre Verhandlungsposition deutlich schwächte. Insbesondere kleinere Büros und freiberuflich Tätige spüren die Auswirkungen, da sie häufig in einem Preiskampf mit billigeren Anbietern stehen. Auftraggebende, besonders im privaten Sektor, nutzen die fehlende Bindung an Mindesthonorare oft aus .
Gleichzeitig haben sich die Anforderungen an die Planungsbranche massiv verändert: Technologische Entwicklungen wie Building Information Modeling (BIM), strengere Nachhaltigkeitskriterien und komplexere Bauprozesse stellen neue Herausforderungen dar. Eine Modernisierung der HOAI könnte diese Aspekte aufgreifen und die Rahmenbedingungen für Architektinnen und Ingenieure verbessern.
Reform im Rückblick: Ein unvollendeter Prozess
Die ursprüngliche Novelle der HOAI zielte darauf ab, die Honorarordnung an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Wichtige Inhalte sollten unter anderem sein:
- Neue Leistungsbilder: Die Einführung von BIM als Standardleistung und die Berücksichtigung von Bestandsbauten unter vereinfachten Regelungen.
- Nachhaltigkeit: Die Definition von Nachhaltigkeitskriterien und deren Integration in Leistungsbilder.
- Dynamisierung von Tafelwerten: Eine flexiblere Anpassung von Honoraren an Marktbedingungen und inflationsbedingte Kostensteigerungen.
Der Reformprozess wurde jedoch abrupt gestoppt. Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, dass vor der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 keine Zeit bleibe, um eine “anständige” Novelle umzusetzen. Mit dem Stillstand bleibt die HOAI in einer problematischen Grauzone: Sie bietet keine rechtliche Verbindlichkeit für Mindesthonorare, ist aber weiterhin eine wichtige Orientierungshilfe für die Branche .
Die Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Praxis
Seit dem EuGH-Urteil ist der Anteil der nach HOAI abgerechneten Honorare stark gesunken. 2021 wurden noch 57 % des Umsatzes in der Branche nach der HOAI erzielt, 2023 waren es nur noch 49 %. Viele Planungsbüros weichen inzwischen auf individuelle Vertragsgestaltungen aus, die keine Mindesthonorare garantieren. Diese Entwicklung birgt Risiken für die Qualität der Planung: Niedrige Honorare können dazu führen, dass Planerinnen und Planer Abstriche bei der Sorgfalt oder der Innovationsfreude machen müssen .
Auch für die öffentliche Hand, die traditionell ein großer Auftraggeber für Architektur- und Ingenieurleistungen ist, entstehen durch die fehlende Verbindlichkeit der HOAI Unsicherheiten. Kommunen, die öffentliche Bauprojekte ausschreiben, stehen vor dem Problem, dass sie keine klaren Vorgaben für die Vergütung machen können, was die Vergleichbarkeit von Angeboten erschwert.
Was bedeutet der politische Stillstand?
Mit dem Ende der Ampelregierung und der anstehenden Neuwahl ist die Zukunft der HOAI-Novelle ungewiss. Eine neue Bundesregierung könnte den Prozess zwar schnell wieder aufnehmen und per Verordnung umsetzen – vorausgesetzt, sie erkennt die Dringlichkeit. Doch es gibt politische Hürden: Die CDU, die in Umfragen vorn liegt, könnte angesichts der wirtschaftlichen Lage zögern, Baukosten durch höhere Honorarsätze weiter zu belasten. Gleichzeitig fordern Berufsverbände wie die Bundesarchitektenkammer (BAK) und der BDLA, den Reformprozess rasch wiederaufzunehmen .
Die Herausforderungen der Branche
Die Planungsbranche befindet sich in einer Zwickmühle: Einerseits ist die HOAI ohne verbindliche Mindesthonorare ein geschwächtes Instrument, andererseits bleibt sie eine wichtige Orientierung. Architektinnen und Ingenieure müssen sich vermehrt auf Verhandlungen und individuelle Honorarmodelle einlassen, was insbesondere kleinere Büros unter Druck setzt.
Die Unsicherheit betrifft auch den Nachwuchs. Junge Talente könnten von einer Branche abgeschreckt werden, die durch politische Instabilität und unklare Vergütungsmodelle geprägt ist. Die fehlende Verbindlichkeit der HOAI erschwert zudem die langfristige Planung und Kalkulation für Planungsbüros.
Fazit: Ein Balanceakt zwischen Fortschritt und Realität
Die HOAI steht am Scheideweg. Ohne eine Novelle bleibt sie ein zahnloser Tiger, der Architektinnen und Ingenieuren kaum Schutz bietet. Eine Modernisierung könnte die Verhandlungsposition der Planenden stärken, die Qualität der Bauplanung sichern und neue Anforderungen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung adressieren.
Doch dazu bedarf es klarer politischer Entscheidungen. Die zukünftige Bundesregierung muss nicht nur die HOAI reformieren, sondern auch Wege finden, sie rechtlich so abzusichern, dass Architektinnen und Ingenieure auf faire Honorare vertrauen können. Die Branche braucht keine weiteren Verzögerungen – sie braucht Lösungen.