Baukunst - Frankfurt baut um – wie die Skyline zur sozialen Frage wird
Frankfurts Hochhausentwicklungsplan 2024 ist mehr als ein städtebauliches Dokument – er ist ein Statement.

Frankfurt baut um – wie die Skyline zur sozialen Frage wird

24.11.2025
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Claudia Grimm

Frankfurts vertikale Stadt: Wie der Hochhausentwicklungsplan 2024 die Skyline neu definiert

Frankfurt am Main, seit Jahrzehnten als „Mainhattan“ bekannt, steht vor einem architektonischen und städtebaulichen Paradigmenwechsel. Der neue Hochhausentwicklungsplan 2024 (HEP2024) markiert das Ende der Ära monofunktionaler Bürotürme und leitet eine Phase ein, in der Hochhäuser zu „vertikalen Städten“ werden. Statt gläserner Riegel, die nach Feierabend verwaist sind, entstehen Gebäude, die Wohnen, Arbeiten, Kultur und Gastronomie vereinen – und das bei einer maximalen Büroflächennutzung von 70 Prozent. Dieser Ansatz soll nicht nur die Skyline bereichern, sondern auch die soziale Akzeptanz und die Aufwertung des öffentlichen Raums fördern.

„Verdichtetes Bauen und hohe Lebensqualität schließen sich nicht aus – wenn wir die Weichen richtig stellen“, betont Julia Roshan Moniri, Vorsitzende des Planungsausschusses. Die Stadt setzt damit auf ein Modell, das Dichte mit urbaner Vielfalt verbindet und internationale Aufmerksamkeit erregt: Der HEP2024 wurde kürzlich mit dem ICONIC AWARD 2025 in der Kategorie „Concept“ ausgezeichnet – eine Würdigung für seinen „visionären Ansatz, der Nachhaltigkeit, Stadtqualität und hohe architektonische Maßstäbe verzahnt“.


Der Central Business Tower: Ein Leuchtturmprojekt

Mittendrin im Wandel: der Central Business Tower (CBT) an der Neuen Mainzer Straße. Mit 205 Metern Höhe und 52 Geschossen wird er ab 2028 nicht nur Büros beherbergen, sondern auch eine Dependance des Museums der Weltkulturen, Gastronomie und öffentliche Aufenthaltsbereiche. Die Commerzbank wird als Alleinmieterin einziehen, doch das Gebäude soll sich bewusst zur Stadt öffnen – ein Novum für das Bankenviertel.

„Ein zukunftsfähiges Hochhaus muss mehr leisten als ein bloßes architektonisches Statement“, erklärt Friedbert Greif von AS+P Albert Speer + Partner, die den HEP2024 mitentwickelt haben. Der CBT steht damit für eine neue Generation von Hochhäusern, die sich als integraler Bestandteil eines lebenswerten Stadtgefüges verstehen.


Vier Türme, ein Quartier: Das Hochhausensemble FOUR

Noch weiter geht das Projekt FOUR in der Innenstadt: Vier Türme, 290.000 Quadratmeter Gesamtgeschossfläche, davon nur 47 Prozent Büros – der Rest verteilt sich auf Wohnungen, Hotels, Gastronomie, Einzelhandel und soziale Infrastruktur. Seit 2025 ziehen hier die ersten Mieter ein, darunter eine Kita, eine öffentliche Markthalle und eine frei zugängliche Dachterrasse. Das Quartier ist nicht nur ein architektonisches Statement, sondern ein lebendiger Mikrokosmos, der die Prinzipien der europäischen Stadt in die Vertikale überträgt.

„Wir haben hier ein europaweit einzigartiges Nutzungskonzept realisiert“, sagt Michael Müller von UNStudio, das gemeinsam mit HPP Architekten für die Planung verantwortlich zeichnet. Die Mischnutzung soll die Attraktivität der Innenstadt steigern und gleichzeitig die Herausforderungen der Homeoffice-Ära meistern: Unternehmen locken ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit qualitativ hochwertigen, nachhaltigen Gebäuden und Zusatzangeboten wie Fitnessstudios, Lounges und Kinderbetreuung.


Büromarkt im Umbruch: Mieten steigen, Leerstände bleiben

Doch der Wandel hat seinen Preis. Die Büromieten im Bankenviertel klettern auf Rekordniveau: Bis zu 70 Euro pro Quadratmeter werden für Spitzenlagen aufgerufen, tatsächlich liegen die Abschlüsse derzeit zwischen 52 und 60 Euro. International tätige Unternehmen sind solche Preise zwar gewohnt, doch für lokale Akteure wird der Markt zunehmend schwierig. Gleichzeitig steigt die Leerstandsquote auf gut zehn Prozent – ein Zeichen dafür, dass nicht jede Fläche gebraucht wird.

„Die Spitzenmieten springen regelrecht nach oben“, sagt Suat Kurt von JLL. Die Nachfrage nach modernen, nachhaltigen Büros in zentraler Lage bleibt jedoch ungebrochen, vor allem bei Banken, Finanzdienstleistern und Beratern. Der Trend zu gemischten Quartieren wie FOUR oder dem CBT zeigt, dass die Zukunft nicht im reinen Bürohochhaus liegt, sondern in Gebäuden, die „eine Geschichte erzählen“ und Mehrwert bieten.


Kritik und Chancen: Verdichtung versus Lebensqualität

Nicht alle sind von der neuen Hochhausstrategie überzeugt. Kritiker monieren, dass die zunehmende Verdichtung die Urbanität eher behindert als fördert. „Ob der massive Baukörper tatsächlich zur Urbanität beiträgt oder nicht viel mehr als abschottende Palisadenwand die Skyline dominiert“, fragt sich etwa die Frankfurter Rundschau. Doch die Stadt hält an ihrem Kurs fest: Der HEP2024 soll nicht nur neue Hochhäuser ermöglichen, sondern auch klare Standards für Nachhaltigkeit, öffentliche Zugänglichkeit und Quartiersintegration setzen.

„Ein zukunftsfähiges Hochhaus muss ein integraler Bestandteil eines lebenswerten, resilienten und mobilitätsorientierten Stadtgefüges sein“, heißt es im HEP2024. Ob dieser Anspruch gelingt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen – wenn die geplanten 14 neuen Hochhäuser bis 2040 Realität werden.


Fazit: Frankfurt als Vorbild für Europas Städte?

Frankfurts Hochhausentwicklungsplan 2024 ist mehr als ein städtebauliches Dokument – er ist ein Statement. Die Stadt zeigt, wie Hochhäuser nicht nur als Wirtschaftsmotoren, sondern als lebendige, nachhaltige und soziale Räume funktionieren können. Mit dem ICONIC AWARD 2025 wurde dieser Ansatz international gewürdigt. Doch der Erfolg hängt davon ab, ob es gelingt, die Balance zwischen Verdichtung und Lebensqualität zu halten – und ob andere Metropolen diesem Beispiel folgen werden.