Baukunst-Grunewald und Geldwäsche – Die große Berliner Gleichgültigkeit
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Grunewald und Geldwäsche – Die große Berliner Gleichgültigkeit

21.04.2025
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Chet Becker

Der diskrete Charme der Oligarchenvilla – Wie Berlin zum Refugium russischen Reichtums wurde

Architektur trifft Politik: Eine Villa erzählt

Zwischen modernen Kolonnaden, gläsernen Aufzügen und 20-Meter-Pools verbirgt sich im Berliner Grunewald mehr als nur mondäner Wohnluxus. Die architektonisch ambitionierte Villa »Grunewaldherz« könnte auch als Musterbeispiel für die diskrete Verschmelzung von Ästhetik und wirtschaftlicher Intransparenz gelten. Ihr Eigentum? Eine zypriotische Briefkastenfirma, einst gesteuert über die Karibik. Die Spur führt nach Sankt Petersburg – und endet in den Akten eines deutschen Grundbuchamts.

Eigentum ohne Namen: Das System Share Deal

Die Berliner Immobilienlandschaft, besonders im noblen Waldtierviertel, wird zunehmend zum Spielfeld für vermögende Akteure aus Russland. Dabei geht es nicht nur um Immobilien, sondern um Einfluss, Sicherheit – und Steuervermeidung. Der sogenannte Share Deal ermöglicht es, Eigentumsverhältnisse effektiv zu verschleiern: Die Immobilie gehört nicht direkt einer Person, sondern einer Gesellschaft, deren Anteile beliebig transferiert werden können – ohne dass dies im Grundbuch auftaucht. Fachleute und Notare beklagen seit Jahren diese Lücke im Kontrollsystem. Die Berliner Verwaltung hingegen wirkt, trotz Sanktionen und Task Forces, seltsam desinteressiert – oder schlicht überfordert.

Das Schweigen der Behörden

Während Städte wie London rigoros gegen verdächtige Immobiliengeschäfte russischer Herkunft vorgehen, bleibt Berlin bemerkenswert passiv. Weder Finanzbehörden noch Strafverfolgung scheinen konsequent genug, um den verschlungenen Wegen der Geldströme zu folgen.

Ein grüner Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, spricht offen von politischen Versäumnissen. Die Nachkriegssiedlungen, einst für US-Offiziere gedacht, wurden vom Bund »meistbietend verscherbelt«. Heute entstehen dort »massive Klötze«, die – architektonisch ambitioniert oder nicht – einen neuen Typ Bewohner anziehen: Investoren ohne Gesicht.

Von der Datscha zur Designervilla: Die Oligarchenkolonie

Unter den prominenten Namen finden sich Putins Vertrauter Arkadij Rotenberg, seine Tochter Lilija und weitere Akteurinnen und Akteure aus dem Umfeld russischer Politik und Wirtschaft. Dass einige Villen offenbar leer stehen, stört kaum jemanden – Hauptsache, das Kapital fließt.

Die Liste der Verflechtungen liest sich wie ein Who-is-Who des post-sowjetischen Geldadels. Es wird über Luxusschlitten in Garagen berichtet, über Haushälterinnen statt Bewohnerinnen, über Anteilstransfers innerhalb der Familie, um Sanktionen zu umgehen. Und immer wieder: Berliner Notare, die bereitwillig beurkunden.

Wenn Sanktionen zur Farce werden

Die Bundesregierung ließ 2022 verlauten, dass Immobilien von Sanktionierten nicht veräußert werden dürften. Doch Rotenberg und andere fanden Wege: Anteilsübertragungen innerhalb der Familie, Kapitalerhöhungen, Unternehmensbeteiligungen – alles legal, alles wirksam, alles schwer nachvollziehbar.

Die Strukturen der Berliner Verwaltung sind denkbar ungeeignet, um solche Konstruktionen aufzudecken. Papierakte trifft Offshore-Gesellschaft: ein Duell ohne Sieger. Die Grundbuchämter erfassen zwar Eigentümer, nicht aber deren wirtschaftliche Berechtigte. Die zuständigen Behörden reagieren bestenfalls mit Bußgeldern, die dem Wert der Immobilien nicht ansatzweise entsprechen.

Eine Stadt wird ausverkauft

Die Stadt Berlin hat, getrieben von Privatisierungspolitik und Nachlässigkeit, über Jahre hinweg ideale Bedingungen für zweifelhafte Investments geschaffen. Was einst soziale Wohnstruktur war, ist heute Projektionsfläche für diskrete Reichtumsverlagerung. Neubauten erinnern teils an nationalsozialistische Monumentalbauten – ein architektonisches Zitat mit bitterem Nachgeschmack. Auch ein lettischer Oligarch soll über seine Bank millionenschwere Grundstücksgeschäfte im Luchsweg abgewickelt haben. Die Rendite: 19 Millionen Euro in vier Jahren. Niemand schritt ein.

Ein System versagt

Es ist nicht allein das Waldtierviertel, das hier enttarnt wird, sondern eine tiefere strukturelle Schwäche. Trotz Transparenzregistern, PR-starker Task Forces und Reformversprechen bleiben die zentralen Fragen offen: Wer darf Grund und Boden besitzen? Und wie schützt sich ein demokratischer Rechtsstaat gegen die Infiltration durch undurchsichtige Mittel?

Berlin bietet, so scheint es, nicht nur architektonischen Freiraum – sondern auch Schlupflöcher, die groß genug sind für Bugattis, Offshore-Konten und politische Verantwortungslosigkeit.