Baukunst-Ein neuer Name, ein neues Leben – Wie Dibag das Signa-Erbe in Stuttgart weiterbaut
ulm © thorstenrodeitwilken/Pixabay

Versteckt im Hügel – Dieses Museum lässt Kelten lebendig werden!

21.04.2025
 / 
 / 
Ignatz Wrobel

Architektur, die sich verneigt – Das Heidengrabenzentrum von Ott Architekten

Zwischen Erde und Erinnerung

Wo heute stille Hochebenen und Wacholderheiden das Bild prägen, lebten einst rund 20.000 Menschen: das Oppidum Heidengraben auf der Schwäbischen Alb war eine der größten keltischen Siedlungen Mitteleuropas. Rund 40 Kilometer südlich von Stuttgart gelegen, ist von der ehemaligen Blütezeit heute kaum mehr als ein mythenträchtiger Ort geblieben – mit einigen Grabhügeln und den Resten einer Wallanlage. Doch mit dem neuen Heidengrabenzentrum der Ott Architekten in Erkenbrechtsweiler hat diese Geschichte nun ein architektonisches Echo erhalten, das sich ebenso respektvoll wie prägnant in die Landschaft einschreibt.

Archäologie als Bauidee

Statt auf plakative Monumentalität setzen Ott Architekten auf Zurückhaltung. Der flache Baukörper gräbt sich buchstäblich in die Erde – nur die Nordseite tritt sichtbar aus dem Terrain hervor. Von Süden aus betrachtet erscheint das Besucherzentrum wie ein natürlicher Hügel. Diese subtile Geste hat Tiefe: Der Entwurf folgt dem Topos des Eingrabens, des Verborgenen – als würde man selbst ein Stück archäologischer Arbeit betreiben, wenn man das Gebäude betritt.

Der Zugang erfolgt über eine polygonal gefaltete Sichtbetonwand, deren vertikale Struktur eine rau anmutende Oberfläche erzeugt. Die Assoziation zur Pfostenschlitzmauer, die einst das keltische Oppidum umgab, ist nicht zufällig. Hier wird Geschichte nicht zitiert, sondern tektonisch verhandelt.

Konsequent klar im Inneren

Auch im Inneren bleibt die Sprache des Materials beherrschend. Sichtbeton, schwarz gehaltene Decken und Leitungen, glatter Estrich – das ist nicht kühl, sondern konzentriert. Den warmen Kontrapunkt setzt das flächig eingesetzte Fichtenschälfurnier, das zugleich akustisch wie funktional überzeugt. Die regelmäßige Lochung erlaubt flexible Nutzungen und verweist auf eine moderne Interpretation traditioneller Handwerkskunst.

Das Foyer mit integriertem Bistro, eine 360 Quadratmeter große Ausstellungsfläche und weitere Nebenräume sind klar gegliedert, jedoch nicht steril. Die Möblierung unterstreicht das Konzept: Holz dominiert, Zunderstahl-Akzente setzen markante Punkte, während schlichte Glühlampen eine fast meditative Atmosphäre schaffen. Es ist ein Raum, der nicht ablenkt, sondern fokussiert.

Die Geste der Einladung

Dass das Gebäude nicht aufdringlich inszeniert, sondern sich wie ein begehbarer Hügel darbietet, ist weit mehr als ein formales Spiel. Es ist ein architektonischer Akt der Demut: gegenüber der Landschaft, der Geschichte und den Besucherinnen und Besuchern. Die Einladung, „in den Hügel einzutauchen“, ist wörtlich zu nehmen – hier beginnt die Zeitreise nicht mit Texttafeln, sondern mit dem Raum selbst.

Der Bau steht am Burrenhof, einst Ort eines frühkeltischen Kultplatzes. Dass sich hier nun wieder ein Ort des Austauschs, der Wissensvermittlung und der Kontemplation findet, ist ein leises, aber deutliches Statement. Der Ort wird nicht überformt, sondern geöffnet – sowohl physisch als auch geistig.

Architekturpreis mit Haltung

Die Auszeichnung »Beispielhaftes Bauen« kommt nicht überraschend. Das Heidengrabenzentrum ist kein lautes Haus. Es ist ein gebauter Respektbeweis, ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Und es zeigt, dass sich gute Architektur nicht durch Lautstärke, sondern durch Haltung auszeichnet.

In einer Zeit, in der Bauten oft um Aufmerksamkeit buhlen, setzt Ott Architekten mit ihrem Werk ein wohltuendes Gegengewicht. Architektur, die sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern den Raum für Geschichte öffnet – das ist selten. Und umso wertvoller.