Baukunst-Vom Beton zur Legende: Die Speer-Ausstellung in Bremen
Bremen © Marian Grabowski/Unsplash

Vom Beton zur Legende: Die Speer-Ausstellung in Bremen

24.04.2025
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Ignatz Wrobel

Schattenwurf eines Baumeisters

Der Generalbauinspektor und sein Nachleben

Albert Speer, Architekt der NS-Diktatur und späterer Rüstungsminister, wurde in den Nürnberger Prozessen als einer der Haupttäter verurteilt – und dennoch über Jahrzehnte als unpolitischer Technokrat verklärt. Die Ausstellung „Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ im Hafenmuseum Bremen nimmt diese Legende nun kritisch unter die Lupe.

Das Narrativ der Unschuld

Nach seiner Entlassung 1966 kultivierte Speer gezielt das Bild des ahnungslosen Mitläufers. Seine Memoiren avancierten zu Bestsellern, seine Medienpräsenz war konstant. Während andere NS-Eliten in der Versenkung verschwanden, wurde Speer zu einem prominenten Gesicht der scheinbaren Entnazifizierung. Die Bremer Ausstellung legt offen, wie dieser Mythos entstehen konnte – und warum er so lange wirksam blieb.

Architektur als Machtinstrument

Speer war kein bloßer Zeichner monumentaler Fassaden, sondern zentraler Akteur einer Ideologie, die sich in Stein und Beton einschreiben wollte. Großprojekte wie das Reichsparteitagsgelände oder die Planungen zur „Welthauptstadt Germania“ dienten der Manifestation eines totalitären Staates. Die Ausstellung illustriert eindrücklich, wie Architektur zur politischen Waffe wurde.

Spuren in Bremen

Weniger bekannt ist Speers lokale Rolle: In Bremen war er mitverantwortlich für den Bau der U-Boot-Bunker Valentin und Hornisse – gespenstische Kolosse aus Stahlbeton, errichtet unter unmenschlichen Bedingungen. Über 12.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene mussten unter brutalsten Bedingungen schuften – viele überlebten nicht. Dass sich ausgerechnet in der Hansestadt ein solch eindrückliches bauliches Zeugnis von Speers Wirken findet, verleiht der Bremer Adaption der ursprünglich Nürnberger Ausstellung besondere Relevanz.

Erinnern, um zu erkennen

Das Hafenmuseum wagt mit dieser Ausstellung einen Brückenschlag zwischen historischer Aufarbeitung und gegenwärtiger Debatte. Interviews mit Expertinnen und Experten, bisher unveröffentlichte Dokumente und ein Begleitprogramm mit Filmen und Vorträgen bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine kritische Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur, Täternarrativen und der Verantwortung von Architektur im politischen Raum.

Architektur zwischen Verantwortung und Verklärung

Die Frage, wie Gesellschaften mit belasteter Baugeschichte umgehen, ist aktueller denn je. Ob der Umgang mit kolonialem Erbe oder autoritärer Stadtplanung: Architektur ist immer auch Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Speers Karriere und ihre nachträgliche Glättung machen deutlich, wie rasch sich architektonische Ästhetik von politischer Ideologie lösen lässt – zumindest scheinbar.

Ein Ort des Diskurses

Mit der Kooperation zwischen dem Bremer Zentrum für Baukultur, der Landeszentrale für politische Bildung und dem Verein „Erinnern für die Zukunft“ gelingt dem Hafenmuseum ein multiperspektivischer Zugriff auf ein schwieriges Thema. Die Ausstellung ist kein Mahnmal, sondern ein Forum für Diskussion und Erkenntnis.