Baukunst -Regionale Planungsstrategien: Schleswig-Holstein und Hamburg im Vergleich
Tag der Architektur © Architektenkammer

Kleine Kammer, große Wirkung: Bremens clevere Kooperation

22.06.2025
 / 
 / 
Berthold Bürger

Über Landesgrenzen hinweg: Wie Bremen und Niedersachsen den Tag der Architektur gemeinsam gestalten

Am 29. Juni 2025 öffnen 101 Objekte in Bremen und Niedersachsen ihre Türen – ein beispielhaftes Modell der interkommunalen Zusammenarbeit

Kleine Kammer, große Wirkung

Die Architektenkammer Bremen zählt mit ihren rund 1.400 Mitgliedern zu den kleineren Berufskammern Deutschlands. Doch was der Hansestadt an Größe fehlt, macht sie durch strategische Vernetzung wett. Der Tag der Architektur wird gemeinsam von der Architektenkammer Niedersachsen und der Architektenkammer Bremen veranstaltet – eine Kooperation, die weit über eine bloße Zweckgemeinschaft hinausgeht und zum Modell für andere Regionen werden könnte.

Der Blick auf die Zahlen zeigt die Dimensionen dieser Zusammenarbeit: Zum Architektur-Highlight des Jahres im Land Bremen öffnen 12 aktuelle Bauten und Anlagen ihre Türen für die Öffentlichkeit. Insgesamt werden in Bremen und Niedersachsen 101 Objekte von Architektinnen und Architekten bei kostenfreien Führungen vorgestellt. Das Verhältnis von zwölf zu 101 Objekten verdeutlicht, wie eine kleine Kammer durch geschickte Vernetzung ihre Reichweite vervielfachen kann.

Gewachsene Strukturen statt künstlicher Grenzen

Die Kooperation zwischen Bremen und Niedersachsen beim Tag der Architektur ist keine zufällige Partnerschaft. Sie spiegelt gewachsene wirtschaftliche und kulturelle Verflechtungen wider, die administrative Grenzen längst überwunden haben. Die Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten e. V. konzentriert sich auf diese Innovationspfade: Ihre Aufgaben sind die Unterstützung und Förderung regionaler Aktivitäten zur Erhöhung der regionalen Sichtbarkeit, der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sowie der Lebensqualität, die länderübergreifende regionale Zusammenarbeit und Vernetzung.

Diese Vernetzung zeigt sich auch in der gemeinsamen Fortbildungsorganisation. Die Kooperation von Architekten und Ingenieuren im Bereich der Fortbildung macht Sinn, weil ein großer Teil der Seminarthemen für beide Berufsstände gleichermaßen relevant ist und weil die Mitglieder von der größeren thematischen Vielfalt der Angebote profitieren. Das Portal fortbilder.de zeigt exemplarisch, wie Ländergrenzen in der Weiterbildung längst bedeutungslos geworden sind.

Pragmatismus mit Vorbildcharakter

Katja Gazey von der Architektenkammer Bremen koordiniert die Veranstaltung pragmatisch: Die Broschüre wird zentral von beiden Kammern beworben, die Internetpräsenz läuft über die Architektenkammer Niedersachsen. Diese Arbeitsteilung folgt dem Prinzip der optimalen Ressourcennutzung – ein Modell, das andere kleine Kammern durchaus inspirieren könnte.

Die historische Entwicklung zeigt die Beständigkeit dieser Kooperation. Bereits 2021 wurden 130 Bauten und Freianlagen in Bremen und Niedersachsen gemeinsam präsentiert, 2022 waren es 108 Objekte. Diese Kontinuität belegt: Hier handelt es sich nicht um eine Notlösung, sondern um eine bewusste strategische Entscheidung.

Innovative Formate durch Kooperation

Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung innovativer Veranstaltungsformate. In diesem Jahr gibt es erstmals auch eine geführte Radtour in Bremen – ein Format, das die kompakte Stadtstruktur Bremens optimal nutzt und gleichzeitig nachhaltige Mobilität fördert. Solche Innovationen entstehen oft durch den Austausch verschiedener Organisationskulturen.

Das Begleitprogramm „ArchitekturZeit“ erweitert den klassischen Tag der Architektur um eine temporäre Dimension. Diese programmatische Erweiterung zeigt, wie regionale Kooperationen nicht nur Kosten senken, sondern auch qualitative Verbesserungen ermöglichen.

Regionaltypische Herausforderungen

Die Kooperation bewältigt spezifische Herausforderungen der Region. Bremen als Stadtstaat bietet naturgemäß weniger Fläche für architektonische Vielfalt als das Flächenland Niedersachsen. Gleichzeitig verfügt die Hansestadt über eine besondere urbane Dichte und maritime Prägung, die das niedersächsische Angebot ergänzt.

Die 2024er Ausgabe demonstrierte diese Komplementarität eindrucksvoll: Trotz Regens lockte der Tag der Architektur am Sonntag, den 30. Juni 2024, rund 2000 Architekturinteressierte in die Objekte und auf die Plätze. Die Begeisterung der Teilnehmenden zeigt sich in lebendigen Details: Teils barfuß und mit triefenden Jacken wurde gelauscht, geschaut und nachgefragt. Mit Überziehern für die nassen Schuhe hatte eine Architektin vorgesorgt und eine kleine Ausstellung in ihrem Wohnzimmer aufgebaut.

Digitale Pionierarbeit

Die Digitalisierung des Bauwesens zeigt weitere Kooperationsfelder auf. Zum 01.06.2025 ist die Einreichung von Bauanträgen in der Stadtgemeinde Bremen digital möglich. Ab dem 01.01. 2026 wird die Einreichung von Bauanträgen in digitaler Form verpflichtend. Hier könnten gemeinsame Standards und Schulungen die Implementierung beschleunigen.

Übertragbarkeit auf andere Regionen

Das Modell Bremen-Niedersachsen bietet Ansatzpunkte für andere Regionen. Besonders Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin könnten von ähnlichen Kooperationen mit ihren Nachbarländern profitieren. Die Erfolgsformel scheint in der Kombination aus gewachsenen Strukturen, pragmatischer Arbeitsteilung und gemeinsamer Ressourcennutzung zu liegen.

Kritisch zu hinterfragen bleibt allerdings die Balance zwischen regionaler Integration und eigenständiger Identität. Die Bremer Architekturszene muss aufpassen, nicht in der niedersächsischen Vielfalt unterzugehen. Hier zeigt sich die besondere Bedeutung des städtischen Kontexts und der spezifischen Hansestadt-Identität.

Ausblick: Kooperation als Zukunftsmodell

Das bundesweite TDA-Motto 2025 lautet „Vielfalt bauen“ – ein Motto, das die Bremen-Niedersachsen-Kooperation bereits seit Jahren praktisch umsetzt. Die regionaleübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht es, verschiedene Bautraditionen, klimatische Bedingungen und städtebauliche Herausforderungen in einem gemeinsamen Programm zu präsentieren.

Die Zusammenarbeit zwischen Bremen und Niedersachsen beim Tag der Architektur zeigt exemplarisch, wie regionale Kooperationen die Baukultur stärken können. Sie beweist, dass administrative Grenzen der Architektur weniger bedeuten als gemeinsame Herausforderungen und geteilte Visionen. Für andere Regionen könnte dieses Modell wegweisend werden – besonders in Zeiten, in denen Ressourceneffizienz und regionale Vernetzung zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Hier finden sie die Programme:

Bremen

Niedersachsen