Baukunst - Von der Biennale ins Eigenheim: Wärmepumpen die auch kühlen können
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Von der Biennale ins Eigenheim: Wärmepumpen die auch kühlen können

21.07.2025
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Ignatz Wrobel

Die Architekturbiennale in Venedig zeigt im deutschen Pavillon “STRESSTEST” eindrücklich die Überhitzung unserer Städte. Während dort die Besucher unter Heizstrahlern schwitzen, gibt es für Zuhause bereits praktikable Lösungen: Die meisten Wärmepumpen können nicht nur heizen, sondern im Sommer auch kühlen – ganz ohne zusätzliche Klimaanlage.

Die Hitze spüren – im Pavillon und in der Stadt

Wer dieser Tage den deutschen Pavillon auf der 19. Architekturbiennale in Venedig betritt, wird buchstäblich einem Stresstest unterzogen. Heizstrahler brennen auf die Köpfe der Besucher, Wärmebildkameras zeigen knallrote Schädel, die zu platzen scheinen. Die Installation macht drastisch spürbar, was in unseren Städten längst Realität ist: Die Überhitzung urbaner Räume wird zur Lebensgefahr.

Die Zahlen, die das Kuratorenteam um Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer, Daniele Santucci und Nicola Borgmann präsentiert, sind alarmierend: Im Sommer 2022 starben in Europa mehr als 61.000 Menschen an den Folgen der Hitze, über 8.000 davon in Deutschland. Bis 2050 könnte der Klimawandel weltweit bis zu 14,5 Millionen Menschenleben fordern.

“Wir wollen es für die Besucher physisch spürbar machen”, erklärt Daniele Santucci das Konzept. Nach dem Hitzestress im STRESS-Raum erleben die Besucher im DESTRESS-Bereich die wohltuende Kühlung durch drei ausgewachsene Bäume, frische Luft und eine spürbare Brise. Die Botschaft ist klar: Es gibt Lösungen – wir müssen sie nur umsetzen.

Von der Vision zur Praxis: Kühlen mit der Fußbodenheizung

Während die Biennale-Besucher die klimatischen Extreme am eigenen Leib erfahren, gibt es für Hausbesitzer bereits heute eine konkrete Technologie, die genau das leistet, was der Pavillon fordert: klimaresilientes Bauen und Wohnen. Die Lösung liegt – überraschenderweise – in einem System, das viele bereits installiert haben: der Fußbodenheizung in Kombination mit einer Wärmepumpe.

“Im Winter sorgt sie für warme Füße. Doch auch im Sommer kann die Fußbodenheizung zum Wohlfühlklima beitragen”, erklärt die Funktionsweise. Statt warmem Wasser fließt dann kühles Wasser durch die Rohre und entzieht dem Raum Wärme – ganz ohne zusätzliche Geräte, ohne Lärm und ohne die typische Zugluft von Klimaanlagen.

Zwei Wege zur urbanen Kühlung

Die Technologie bietet zwei Varianten, die beide zur Lösung der im Pavillon thematisierten Hitzeproblematik beitragen können:

Passive Kühlung: Hier nutzt das System den natürlichen Temperaturunterschied zwischen Gebäudeinnerem und Erdreich oder Grundwasser. Die Wärmepumpe arbeitet nicht aktiv, nur die Umwälzpumpe transportiert die Raumwärme ins kühlere Erdreich. Diese Methode ist besonders energiesparend und nachhaltig – ein wichtiger Aspekt, den auch die Biennale-Kuratoren betonen.

Aktive Kühlung: Bei dieser Variante läuft die Wärmepumpe im umgekehrten Heizmodus. Sie transportiert die Wärme aktiv aus dem Raum nach außen. Die Kühlleistung ist höher, der Stromverbrauch allerdings auch.

Die Grenzen anerkennen, die Möglichkeiten nutzen

Genau wie der deutsche Pavillon keine Patentlösungen verspricht, sondern realistische Wege aufzeigt, hat auch die Fußbodenkühlung ihre Grenzen. Bei passiver Kühlung sinkt die Raumtemperatur meist nur um 2 bis 3 Grad Celsius, bei aktiver Kühlung sind Raumtemperaturen von 20 bis 22 Grad erreichbar.

“Eine Fußbodenheizung kann keine klassische Klimaanlage ersetzen”, heißt es in der technischen Analyse. Doch genau darum geht es auch nicht. Wie Elisabeth Endres vom Biennale-Team betont: “Es geht um Lösungen, um Möglichkeiten.” Und eine Temperaturabsenkung von wenigen Grad kann bereits den Unterschied zwischen unerträglicher Hitze und erträglichem Raumklima ausmachen.

Interdisziplinarität in der Praxis

Was die Kuratoren des deutschen Pavillons fordern – die intensive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen – zeigt sich bei der Wärmepumpentechnologie bereits in der Umsetzung. Hier arbeiten Heizungstechnik, Gebäudedämmung, Steuerungstechnik und Raumplanung zusammen. Moderne Systeme verfügen über:

  • Taupunktüberwachung, um Kondenswasserbildung zu verhindern

  • Smarte Steuerung per App mit Zonenregelung

  • Integration in Smart-Home-Systeme

  • Verbindung mit Photovoltaikanlagen für nachhaltigen Betrieb

Der Call-to-Action wird konkret

“Das ist ein Call-to-Action an alle”, betont Nicola Borgmann vom Kuratorenteam. Dieser Aufruf lässt sich direkt in die Praxis übersetzen: Viele Gebäude in Deutschland verfügen bereits über eine Fußbodenheizung. Wer diese nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen nutzen möchte, kann das System oft mit überschaubarem Aufwand nachrüsten.

Die Voraussetzungen sind:

  • Ein Flächenheizsystem mit Warmwassertechnik

  • Eine reversible Wärmepumpe (oder die Möglichkeit zur Nachrüstung)

  • Fachgerechte Planung zur Vermeidung von Kondenswasser

Von Venedig nach München – und in jede andere Stadt

Der Paradigmenwechsel, den der deutsche Pavillon thematisiert – vom Schutz vor Kälte zum Schutz vor Hitze – vollzieht sich bereits in unseren Heizungskellern. Wärmepumpen, die sowohl heizen als auch kühlen können, sind keine Zukunftsmusik, sondern verfügbare Technologie.

Besonders eindrucksvoll ist dabei die Nachhaltigkeit: Bei passiver Kühlung entstehen kaum Betriebskosten, da nur die Umwälzpumpe läuft. Kombiniert mit einer Photovoltaikanlage wird das System nahezu klimaneutral – genau das, was die Kuratoren fordern, wenn sie von klimaresilientem Bauen sprechen.

Fazit: Vom Erleben zum Handeln

Die Ausstellung “STRESSTEST” will aufrütteln und gleichzeitig Hoffnung geben. Sie zeigt, dass wir die Mittel haben, unsere Städte lebenswerter zu machen. Die Kühlung über Fußbodenheizung und Wärmepumpe ist ein perfektes Beispiel dafür, wie aus der abstrakten Forderung nach Klimaanpassung konkrete, umsetzbare Lösungen werden.

Während in Venedig noch bis November 2025 die Besucher unter Heizstrahlern schwitzen und in kühlen Räumen aufatmen, können Hausbesitzer bereits heute handeln. Die Technologie ist da, die Fachbetriebe sind vorbereitet, und die Förderungen machen die Investition attraktiv.

Der deutsche Pavillon mahnt: “The Time for Action is now.” Wer eine Wärmepumpe installiert oder nachrüstet, die auch kühlen kann, hat diesen Aufruf bereits verstanden – und setzt ihn in die Tat um. Denn die beste Antwort auf den Klimawandel ist nicht nur das Bewusstsein für das Problem, sondern die praktische Umsetzung vorhandener Lösungen.