Baukunst-Wiedergeburt am Ufer der Spree – wie der Spreepark Berlin sich neu erfindet
Berlin ©Jonas Tebbe/Unsplash

Wiedergeburt am Ufer der Spree – wie der Spreepark Berlin sich neu erfindet

21.04.2025
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Ignatz Wrobel

Zwischen Dinosauriern und Denkmalschutz – Der Spreepark Berlin als urbane Metamorphose

Der Spreepark Berlin wird zum Park der Zukunft: Ein Ort voller Geschichte, Kunst und Natur kehrt zurück ins kollektive Gedächtnis – und das mit nachhaltigem Anspruch.

Ein Riesenrad ragt über das Blätterdach, rostig, reglos – und dennoch voller Symbolkraft. Der Spreepark im Berliner Plänterwald ist vieles zugleich: Erinnerungsort, Mahnmal, Abenteuerkulisse. Und bald ein Park neuen Typs. Was einst der einzige Freizeitpark der DDR war, verwandelte sich nach der Wende in einen kapitalistischen Rummelplatz, dann in eine ruinöse Legende. Heute formt sich aus dem Wildwuchs ein innovativer Raum für Kunst, Natur und Kultur. Eine Wiederbelebung, die weit mehr ist als städtebauliche Kosmetik.

Ein Ort der Gegensätze

Als der „VEB Kulturpark Plänterwald“ 1969 seine Pforten öffnete, war das ein Prestigeprojekt sozialistischer Lebensfreude. Millionen Besucherinnen und Besucher strömten in den Osten Berlins, das markante Riesenrad wurde zur Landmarke. Die Wende brachte Umbruch: Westdeutscher Schaustellergeist, Investitionen in Achterbahnen, Wildwasserbahnen und ein pauschaler Eintritt sollten den Spreepark auf Weltmarktniveau heben – und scheiterten grandios. Schon 2002 war Schluss. Der Park verkam zum ikonischen Lost Place, Heimat für Fledermäuse, Sprayer und Subkulturen.

Die Ästhetik des Verfalls

Was blieb, war eine postindustrielle Kulisse mit Schwanenbooten im Morast, von Birken überwucherten Geleisen und umgestürzten Dinosaurierfiguren. Die Melancholie der einstigen Betriebsamkeit, das morbide Panorama der Moderne – genau das machte den Reiz aus. Der Park wurde Teil der urbanen Mythologie. Und damit Projektionsfläche für eine neue urbane Idee.

Wiedergewonnene Zukunft: Das Konzept von Grün Berlin

2014 übernahm das Land Berlin das Gelände, 2016 begann die landeseigene Grün Berlin GmbH mit der Neugestaltung. Nicht als nostalgisches Reenactment des Vergangenen, sondern als Transformation: Der Spreepark soll 2026 als „Park neuen Typs“ wiedereröffnen – ein Freiraum, in dem Kunst, Ökologie und gesellschaftliches Leben ineinandergreifen. Rund 2.000 Ideen und Wünsche aus der Bürgerbeteiligung flossen in das Konzept ein.

Dabei wird nicht planiert, sondern adaptiert. Die Planerinnen und Planer der ARGE Spreepark Freianlagen – bestehend aus der Uniola AG und dan pearlman Erlebnisarchitektur – arbeiten mit dem Bestand: Wildwuchs bleibt, wo er Biotope stützt, Relikte werden nicht abgerissen, sondern umgedeutet.

Kunst als Motor

Der neue Spreepark wird kein Park mit Kunst, sondern durch Kunst transformiert. So beschreibt es Christoph Schmidt, Geschäftsführer von Grün Berlin. Prominentes Beispiel: das Riesenrad. Unter der künstlerischen Leitung von realities:united entsteht ein multifunktionales Objekt – Fahrgeschäft, kinetisches Kunstwerk und Teil des Wassermanagements. 90 Tonnen Stahl des alten Rades werden recycelt. Das neue Rad scheint über einem künstlichen Wasserbecken zu schweben, dessen Zisternen Niederschlagswasser sammeln und zur Bewässerung nutzen – ein gelungenes Beispiel für die Verbindung von Ästhetik und Klimafunktion.

Re-Use statt Neubau

Die Transformation setzt auf Kreislaufwirtschaft. Alte Hallen werden nicht abgerissen, sondern umgenutzt. Beispielhaft: die ehemalige Wartungshalle, künftig Veranstaltungszentrum und Besucherforum. Drei zweigeschossige Holzkuben im Haus-im-Haus-Prinzip bilden das Rückgrat der neuen Nutzung – ökologisch effizient, gestalterisch prägnant. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt jährlich 250.000 kWh Strom.

Auch die Mero-Halle – einst Gaststätte, dann Ruine – ist heute Veranstaltungsort. Was als temporäre Kunstinstallation begann, wurde nun dauerhaft in das Parkkonzept integriert. Das Projekt gewann 2024 den BDA-Preis Berlin – ein Signal für den Stellenwert architektonischer Wiederverwertung.

Ein Ort für Flora, Fauna und Fiktion

Mitten im Landschaftsschutzgebiet Plänterwald gelegen, verpflichtet sich der Spreepark einer naturnahen Gestaltung. Gebietsheimische Baumarten, Rückzugsorte für Fledermäuse und Vögel, Entsiegelung und klimareflektierte Pflanzungen – der Park versteht sich als resiliente Landschaft in Zeiten des Klimawandels. Das Schwammstadt-Prinzip lenkt das Regenwasser in unterirdische Speicher, wo es für Trockenzeiten bereitsteht.

Der Spreepark als Stadtlabor

Die kulturelle Leitung liegt beim Spreepark Art Space, einer Plattform im restaurierten Eierhäuschen, die Ausstellungen, Residencies und Diskursformate organisiert. Künstlerische Interventionen sollen nicht dekorativ sein, sondern Impulse setzen. Gleichzeitig wird der Spreepark Teil einer großräumigen Transformation: Die Entwicklung entlang des Spreeufers – mit Hochschulen, Technologiestandorten und Kreativwirtschaft – macht den Ort zu einem städtebaulichen Katalysator.

Fazit: Eine Chance für die Erinnerungskultur

Spreepark war nie nur Freizeitstätte – er war Bühne des Politischen, der Nostalgie, des Vergessens. In seiner Neuinterpretation wird er nicht zur glatten Kulisse, sondern bleibt ein vielschichtiger Ort. Die Verbindung von Nachhaltigkeit, Kunst und Geschichte macht ihn zu einem Modell für den Umgang mit urbanen Erbe-Orten. Es ist die Chance, eine verlorene Welt nicht einfach zu reparieren – sondern sie weiterzudenken.