Baukunst - Baufinanzierung: Wenn Geldpolitik versagt
Es fehlt die Planungssicherheit © Depositphotos

Baufinanzierung: Wenn Geldpolitik versagt

16.06.2025
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Ignatz Wrobel

Wenn Zinspolitik die Baubranche spaltet

Architekten zwischen EZB-Beschlüssen und Marktreaktion

Die Europäische Zentralbank senkt ihre Leitzinsen weiter, doch die Baufinanzierungszinsen steigen dennoch. Diese scheinbar paradoxe Entwicklung stellt nicht nur Bauherrinnen und Investoren vor Herausforderungen, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen zur berufspolitischen Positionierung von Architektinnen und Ingenieuren auf.

Marktmechanismen jenseits der Geldpolitik

Während die EZB ihre Zinssätze auf historische Tiefstände drückt, orientieren sich Baufinanzierungszinsen primär an den Renditen zehnjähriger Bundesanleihen. Diese Entkopplung zwischen kurzfristiger Geldpolitik und langfristigen Kapitalmarkttrends verdeutlicht ein strukturelles Problem: Die Bauwirtschaft reagiert nicht mehr linear auf klassische geldpolitische Impulse.

Für Planungsbüros bedeutet dies eine neue Dimension der Unsicherheit. Projektentwickler kalkulieren mit volatilen Finanzierungskosten, während Architektinnen ihre Honorare nach wie vor auf Basis der HOAI berechnen müssen – ein Spannungsfeld, das die Bundesarchitektenkammer bereits seit Jahren kritisch begleitet.

Staatsverschuldung als Branchen-Bremse

Besonders problematisch erweist sich die gestiegene Staatsverschuldung. Die Bundesregierung finanziert Infrastrukturprojekte und Klimaschutzmaßnahmen über neue Anleihen, was die Renditen deutscher Staatsanleihen in die Höhe treibt. Paradoxerweise verteuert gerade die öffentliche Hand durch ihre Verschuldungspolitik private Bauvorhaben.

Diese Entwicklung trifft den Kern architektonischer Berufspolitik: Während Verbände wie der BDA und die Bundesarchitektenkammer verstärkte öffentliche Investitionen in Baukultur und Klimaschutz fordern, konterkariert die Finanzierungspraxis diese Ziele. Ein Dilemma, das eine koordinierte Interessensvertretung erfordert.

Pfandbriefmarkt als Schlüsselfaktor

Die Refinanzierung von Baufinanzierungen erfolgt hauptsächlich über Pfandbriefe, deren Zinssätze sich an Staatsanleihen orientieren. Steigen diese Referenzzinsen, verteuern sich automatisch auch Immobilienkredite – unabhängig von EZB-Entscheidungen. Für Architektinnen bedeutet dies: Bauherren verschieben Projekte, Investoren werden zurückhaltender, und der Auftragseingang sinkt.

Die Architektenkammern diskutieren bereits über angepasste Beratungsleistungen, um Bauherrinnen bei der optimalen Finanzierungsstruktur zu unterstützen. Ein Ansatz, der zeigt, wie sich das Berufsbild über traditionelle Planungsleistungen hinaus entwickelt.

Geopolitische Faktoren verschärfen die Lage

Handelskonflikte zwischen den USA und China, anhaltende Verteidigungsausgaben und schwankende Konjunkturaussichten beeinflussen die Zinsentwicklung stärker als geldpolitische Maßnahmen. Diese Volatilität erschwert langfristige Projektplanung erheblich.

Ingenieurkammern fordern daher verstärkt politische Planungssicherheit. Ohne verlässliche Rahmenbedingungen bleiben Infrastrukturprojekte Stückwerk, und private Bauvorhaben stagnieren. Eine Situation, die koordinierte Lobbyarbeit der Planungsverbände erfordert.

Berufspolitische Konsequenzen

Die Entkopplung von Geld- und Bauzinspolitik verdeutlicht die Grenzen klassischer Wirtschaftssteuerung. Für Architektinnen und Ingenieure entstehen daraus neue berufspolitische Handlungsfelder: Sie müssen sich stärker als bisher in finanzpolitische Diskussionen einbringen und ihre Expertise bei der Bewertung wirtschaftlicher Auswirkungen von Bauprojekten einsetzen.

Die Bundesarchitektenkammer hat bereits angekündigt, ihre Zusammenarbeit mit Finanzverbänden zu intensivieren. Ziel ist es, die spezifischen Auswirkungen der Zinsentwicklung auf die Baubranche besser zu dokumentieren und politische Entscheidungsträger für die Folgen ihrer Verschuldungspolitik zu sensibilisieren.

Ausblick: Neue Strategien gefragt

Langfristig werden sich Planungsbüros auf anhaltend volatile Finanzierungsbedingungen einstellen müssen. Dies erfordert nicht nur angepasste Geschäftsmodelle, sondern auch eine veränderte berufspolitische Agenda: Statt nur über Honorarordnungen und Baurecht zu diskutieren, müssen sich Architektinnen und Ingenieure verstärkt als wirtschaftspolitische Akteure positionieren.

Die aktuelle Zinsentwicklung zeigt exemplarisch, wie globale Finanzmarktentwicklungen lokale Planungspraxis beeinflussen. Eine Erkenntnis, die das Berufsbild nachhaltig prägen wird.