
Paradigmenwechsel in der Stadtplanung
Die Transformation urbaner Räume vollzieht sich oft in kleinen Schritten. In Bremen hingegen wagt man nun den großen Wurf: Das in die Jahre gekommene Parkhaus Mitte soll Ende 2026 einem zukunftsweisenden Gebäudekomplex weichen. Die Hansestadt demonstriert damit eindrucksvoll, wie sich automobile Infrastruktur der 1960er Jahre in lebendigen Stadtraum des 21. Jahrhunderts verwandeln lässt.
Zwei Visionen, ein Ziel
Aus einem hochkarätig besetzten Architekturwettbewerb sind zwei Siegerentwürfe hervorgegangen – einer aus Berlin, einer aus München. Beide Konzepte vereint ein progressiver Ansatz: Die vertikale Staffelung verschiedener Nutzungen schafft ein urbanes Gefüge, das weit über die monofunktionale Nutzung des Bestands hinausgeht. Die oberen Etagen sind dem Wohnen vorbehalten, während die unteren Geschosse gewerblich genutzt werden sollen. Ein Konzept, das international unter dem Begriff „Mixed-Use“ längst zum Standard geworden ist, in deutschen Innenstädten aber noch immer Seltenheitswert besitzt.
Sozialer Anspruch trifft architektonische Innovation
Bemerkenswert ist der dezidiert soziale Ansatz des Projekts: Ein Drittel der geplanten Wohnungen wird als geförderter Wohnraum ausgewiesen. Dies ist keineswegs selbstverständlich für eine solch prominente innerstädtische Lage. Die Stadtentwicklungsgesellschaft Brestadt beweist hier Mut zur sozialen Durchmischung – ein Aspekt, der in der aktuellen Debatte um bezahlbares Wohnen höchste Relevanz besitzt.
Katalysator für die Innenstadt
Bremens Bau-Staatsrat Ralph Baumheier (SPD) spricht von „überzeugenden Impulsen für die Innenstadt“ – eine Einschätzung, die aus architektonischer Sicht durchaus gerechtfertigt erscheint. Der Innenstadtbeauftragte Carl Zillich ergänzt treffend: „Die zwei ersten Preise verdeutlichen die Frage – nicht nur in Bremen – was zukunftsweisende Stadtbausteine im Herzen der Stadt heute ausmacht.“
Nachhaltige Perspektiven
Die Nachhaltigkeit des Projekts manifestiert sich auf mehreren Ebenen: Sozial durch die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, ökonomisch durch die Belebung der Innenstadt auch außerhalb der Geschäftszeiten und ökologisch durch die Implementierung moderner Baustandards. Die Transformation des Parkhauses symbolisiert damit exemplarisch den Wandel von der autogerechten zur menschengerechten Stadt.
Partizipation als Schlüssel zum Erfolg
Ab Oktober 2024 werden die Entwürfe der Öffentlichkeit präsentiert. Diese frühe Bürgerbeteiligung ist essentiell für die Akzeptanz des Projekts. Die kritischen Stimmen, die sich um Verkehrsbelastung und städtebauliche Integration sorgen, müssen gehört und in den weiteren Planungsprozess einbezogen werden.
Fazit: Modellcharakter für deutsche Innenstädte
Das Bremer Projekt könnte Modellcharakter für ähnliche Transformationsprozesse in deutschen Innenstädten entwickeln. Es zeigt exemplarisch, wie sich überholte Infrastruktur in zeitgemäße Stadtarchitektur überführen lässt. Der Mut zur Mischung verschiedener Nutzungen und sozialer Schichten könnte dabei zum Vorbild für andere Kommunen werden.
Die eigentliche Herausforderung beginnt allerdings erst: Nach der Auswahl eines der beiden Siegerentwürfe muss sich das Konzept in der Realisierung bewähren. Die Projektentwicklung durch die Brestadt wird zeigen, ob aus der architektonischen Vision tatsächlich ein lebendiges Stück Stadt werden kann. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.

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