Baukunst - Brutal schön: Graz stellt Terrassenhaussiedlung unter Schutz
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Brutal schön: Graz stellt Terrassenhaussiedlung unter Schutz

27.04.2025
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Chet Becker

Ein Denkmal des Brutalismus: Denkmalschutz für die Terrassenhaussiedlung in Graz

Mit der Entscheidung, die Grazer Terrassenhaussiedlung unter Denkmalschutz zu stellen, betritt Österreich architektonisches Neuland. Während traditionelle Baudenkmäler meist in barocken Fassaden oder mittelalterlichen Mauern ihren Ausdruck finden, hebt dieser Schritt den oft missverstandenen Brutalismus auf eine neue Stufe der Anerkennung.

Ein Meilenstein der Nachkriegsmoderne

Errichtet zwischen 1972 und 1978 nach Plänen der Werkgruppe Graz, gilt die Terrassenhaussiedlung als Ikone der österreichischen Nachkriegsarchitektur. Ihre terrassenförmige Anordnung, die sanfte Eingliederung in die Hanglage von St. Peter sowie die klaren Linien der Sichtbetonstrukturen verkörpern den Geist der Moderne. Gleichzeitig spiegelt die Siedlung ein gesellschaftliches Ideal: demokratisches Wohnen mit Raum für Partizipation und Gemeinschaft .

Vom Widerstand zur Anerkennung

Die Unterschutzstellung verlief keineswegs konfliktfrei. Eigentümerinnen und Eigentümer befürchteten Wertverluste und Eingriffe in ihre Sanierungsfreiheit. Die Interessengemeinschaft Terrassenhaussiedlung (IGT) legte ein Gegengutachten vor, das die Denkmaleigenschaft infrage stellte – ein Versuch, den Architekt Eugen Gross scharf als „unwissenschaftlich“ kritisierte. Doch der Dialog siegte über den Konflikt: Ein gemeinsam erarbeiteter Denkmalpflegeplan ermöglicht nachhaltige Modernisierungen, ohne das charakteristische Erscheinungsbild zu gefährden. Die Integration von Photovoltaikanlagen und Mikrowärmepumpen zeigt beispielhaft, dass Denkmalschutz und zukunftsorientiertes Bauen keine Gegensätze sein müssen.

Architektur zwischen Beton und Utopie

Was der Terrassenhaussiedlung ihren besonderen Status verleiht, ist mehr als ihre materialtechnische Erscheinung. Es ist die Idee, Bewohnerinnen und Bewohner aktiv in die Gestaltung ihres Lebensraumes einzubeziehen – eine Vision, die heute aktueller scheint denn je. Partizipative Prozesse, wie sie Andrea Jany in ihrer Forschung hervorhebt, sind heute ein Vorbild für moderne Stadtentwicklung.

Nachhaltigkeit als neuer Denkmalschutz

Projekte wie DeCO₂ und Herisol, die an der Siedlung angesiedelt sind, zeigen, wie Energiewende und architektonisches Erbe Hand in Hand gehen können. Der Denkmalschutz wird hier nicht als starre Bewahrung, sondern als dynamische Weiterentwicklung verstanden – ein Paradigmenwechsel, der Schule machen könnte.

Mutiger Schritt mit Signalwirkung

Die Unterschutzstellung der Terrassenhaussiedlung ist ein mutiger und richtiger Schritt. Sie würdigt nicht nur die architektonische und soziale Vision der Nachkriegszeit, sondern setzt ein wichtiges Zeichen dafür, dass nachhaltige Stadtentwicklung auch aus dem Respekt gegenüber unserer gebauten Geschichte erwachsen kann.