Baukunst - Co2 berechnung
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CO2-Berechnung

17.07.2024
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stu.ART

CO2-Reduktion im Bauwesen: Neue Wege zu nachhaltiger Architektur

Die Baubranche steht vor enormen Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel. Rund 38% der globalen CO2-Emissionen werden dem Bausektor zugerechnet. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, sind innovative Lösungen für CO2-armes und nachhaltiges Bauen unerlässlich. Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Trends, Technologien und Best-Practice-Beispiele.

Ganzheitliche Lebenszyklusbetrachtung als Basis

Eine umfassende CO2-Bilanzierung über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes bildet die Grundlage für nachhaltige Konzepte. „Wir müssen vom Rohstoffabbau bis zum Rückbau denken“, erklärt Professorin Anette Hillebrandt von der Bergischen Universität Wuppertal. Die Expertin für nachhaltiges Bauen ergänzt: „Nur so lassen sich die tatsächlichen Umweltauswirkungen erfassen und optimieren.“

Moderne Tools wie der RIB 4.0 CO2-Kalkulator oder die ÖKOBAUDAT-Datenbank des Bundesbauministeriums unterstützen Architektinnen und Architekten dabei, die CO2-Bilanz bereits in frühen Planungsphasen zu ermitteln. Building Information Modeling (BIM) ermöglicht zudem eine Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in digitale Gebäudemodelle.

Innovative Materialien und Bauweisen

Ein Schlüssel zur CO2-Reduktion liegt in der Wahl nachhaltiger Baustoffe:

  • Holzbau: Als nachwachsender Rohstoff bindet Holz CO2 und punktet mit hervorragender Ökobilanz. Das 85 Meter hohe „Mjøstårnet“ in Norwegen demonstriert eindrucksvoll die Möglichkeiten moderner Holzbautechnik.
  • Recycling-Beton: Durch den Einsatz von Recycling-Gesteinskörnungen lässt sich der CO2-Fußabdruck von Beton um bis zu 30% reduzieren. Das Pilotprojekt „CircularHouse“ in Berlin setzt zu 100% auf R-Beton.
  • Stroh und Lehm: Diese traditionellen Baustoffe erleben eine Renaissance. Sie überzeugen durch niedrige graue Energie und hervorragende Dämmeigenschaften. Das Bürogebäude „Alnatura Arbeitswelt“ in Darmstadt zeigt ihre Einsatzmöglichkeiten im modernen Gewerbebau.

Architekt Peter Haimerl setzt bei seinen Projekten konsequent auf regionale und CO2-arme Materialien: „Wir müssen wieder lernen, mit dem zu bauen, was vor Ort verfügbar ist. Das reduziert Transportwege und stärkt lokale Wirtschaftskreisläufe.“

Energieeffiziente Gebäudetechnik

Neben der Bausubstanz spielt die Gebäudetechnik eine zentrale Rolle für die CO2-Bilanz. Hocheffiziente Wärmepumpen, smarte Steuerungssysteme und regenerative Energiequellen gehören zum Standard nachhaltiger Architektur.

Das Aktivhaus B10 in Stuttgart geht noch einen Schritt weiter: Es produziert doppelt so viel Energie wie es verbraucht. Überschüsse werden ins lokale Stromnetz eingespeist oder für Elektrofahrzeuge genutzt. „Gebäude werden zu aktiven Elementen im Energiesystem“, erläutert Projektleiter und Architekt Werner Sobek.

Kreislaufwirtschaft und Urban Mining

Um den Ressourcenverbrauch zu minimieren, setzen immer mehr Architekturbüros auf Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. „Wir müssen Gebäude als Materialbanken der Zukunft begreifen“, betont Thomas Rau vom Amsterdamer Büro RAU architects. Sein Projekt „Circl“ in Amsterdam wurde komplett aus wiederverwendbaren Komponenten errichtet.

Auch das „Urban Mining“ gewinnt an Bedeutung: Beim Rückbau von Gebäuden werden wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen und einer neuen Nutzung zugeführt. Die Stadt Zürich hat dafür eine eigene Materialbörse eingerichtet.

Digitalisierung als Enabler

Digitale Technologien spielen eine Schlüsselrolle für CO2-armes Bauen. BIM-Modelle ermöglichen präzise Mengenermittlungen und optimierte Materialflüsse. Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Analyse komplexer Daten zur Gebäudeperformance.

Das Start-up „Concular“ hat eine KI-gestützte Plattform entwickelt, die das Wiederverwendungspotenzial von Bauteilen erfasst. „So lassen sich enorme Mengen an grauer Energie und CO2 einsparen“, erklärt Gründerin Anja Sinnig.

Ganzheitliches Denken gefordert

Die Reduktion von CO2-Emissionen im Bauwesen erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Von der Materialwahl über effiziente Gebäudetechnik bis hin zu Kreislaufwirtschaft – alle Aspekte müssen ineinandergreifen.

„Wir Architektinnen und Architekten tragen eine große Verantwortung“, resümiert Peter Haimerl. „Mit unseren Entscheidungen beeinflussen wir die CO2-Bilanz von Gebäuden über Jahrzehnte. Dieses Potenzial müssen wir nutzen.“

Die vorgestellten Beispiele zeigen: Nachhaltiges und CO2-armes Bauen ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität. Es liegt an der Branche, diese Ansätze konsequent weiterzuentwickeln und in die breite Anwendung zu bringen. Nur so kann das Bauwesen seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Ein Konstruktionsatlas hilft bei CO2-Berechnung