Baukunst-Die Kunst der sanften Metamorphose - Wie Offenbach sein Ledermuseum ins 21. Jahrhundert rettet
©Xavier S./Unsplash

Die Kunst der sanften Metamorphose – Wie Offenbach sein Ledermuseum ins 21. Jahrhundert rettet

19.12.2024
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stu.ART

Wenn ein Museum sich neu erfindet, gleicht dies meist einer Operation am offenen Herzen. Besonders dann, wenn es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt. In Offenbach am Main wagten die Architektinnen und Architekten des Berliner Büros Rustler Schriever zusammen mit Levin Monsigny Landschaftsarchitekten diesen Eingriff – und überzeugten mit einem Konzept der „raffinierten Einfachheit“.

Die Herausforderung: Ein Schatz sucht neue Hülle

Das Deutsche Ledermuseum in Offenbach beherbergt einen weltweit einzigartigen Fundus: Über 30.000 Objekte aus Leder und verwandten Materialien erzählen von der kulturhistorischen Bedeutung dieses vielseitigen Werkstoffs. Das mehrfach umgebaute Lagerhaus aus dem 19. Jahrhundert platzt jedoch aus allen Nähten und entspricht längst nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Museum.

Architektonische Akupunktur statt radikaler Schnitt

Die Berliner Architektinnen und Architekten entwickelten eine bemerkenswert sensible Lösung für die komplexe Aufgabe. Statt das historische Gebäude radikal umzukrempeln, setzen sie auf gezielte Eingriffe. Der zentrale historische Torbogen wird freigelegt und verglast, die Bogenfenster im Erdgeschoss öffnen sich bis zum Boden. Wie eine schützende Haut umhüllt ein Holzrahmenbau den Bestand – eine architektonische Metamorphose, die an die Verwandlung von Leder durch Gerbung erinnert.

Baukunst-Die Kunst der sanften Metamorphose - Wie Offenbach sein Ledermuseum ins 21. Jahrhundert rettet

© RUSTLER SCHRIEVER ARCHITEKTEN

Das Museum als lebendiges Schaufenster

Besonders raffiniert: Die bestehenden Fensteröffnungen der Hauptfassade verwandeln sich in Präsentationsvitrinen. Sie treten wie eine feine Reliefstruktur aus der Fassade hervor und machen das Museum zum inszenierten Schaufenster. Die rötliche Kupferfassade der Erweiterung nimmt den Farbton des historischen Sandsteinsockels auf und wird, ähnlich wie Leder, im Laufe der Zeit eine charakteristische Patina entwickeln.

Innere Werte: Klare Struktur trifft flexible Nutzung

Im Inneren überzeugt der Entwurf durch kluge Raumorganisation. Ein großzügiges Foyer über zwei Geschosse ermöglicht Einblicke in die Tiefe des Gebäudes. Die Ausstellungsbereiche in den Obergeschossen bilden einen logischen Rundgang, während das 720 Quadratmeter große Depot im Erdgeschoss untergebracht ist. Öffentliche Nutzungen wie Museumscafé, Veranstaltungsbereich und Workshopräume beleben die Erdgeschosszone.

Nachhaltigkeit durch Bewahrung

Der Entwurf besticht durch seinen nachhaltigen Ansatz: Die Architekten beschränken neue Untergeschosse auf kleine, ohnehin neu bebaute Bereiche. Die dreigeteilten Hauptausstellungsräume im Anbau ermöglichen flexible Nutzungen, während die haustechnischen und bauphysikalischen Konzepte überzeugen.

Ausblick: Zwischen Bewahrung und Erneuerung

Das Preisgericht empfiehlt für die weitere Entwicklung, die Übergänge zwischen Alt- und Neubau noch deutlicher herauszuarbeiten. Dabei sollen denkmalpflegerische Aspekte wie der Erhalt der Zeitschichten stärker berücksichtigt werden. Die Realisierung des Projekts ist bis 2029 geplant – genug Zeit, um die Balance zwischen Tradition und Innovation weiter zu verfeinern.

Mit diesem Entwurf beweist Offenbach Mut zur behutsamen Transformation. Das neue Deutsche Ledermuseum wird nicht nur seine einzigartige Sammlung zeitgemäß präsentieren, sondern auch zeigen, wie historische Bausubstanz durch intelligente Architektur neue Relevanz gewinnen kann.