Baukunst-Dieser Kasten soll die neue Bauakademie sein? Ernsthaft?
©Jonas Tebbe/Unsplash

Dieser Kasten soll die neue Bauakademie sein? Ernsthaft?

24.10.2024
 / 
 / 
Ignatz Wrobel

Zwischen Historie und Moderne: Die umstrittene Rekonstruktion der Bauakademie von Schinkel

Die Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel, eines der bedeutendsten Bauwerke der deutschen Architekturgeschichte, steht seit Jahren im Zentrum einer hitzigen Debatte. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte und in den 1960er Jahren abgerissene Gebäude wird von vielen als Meisterwerk des Klassizismus verehrt. Seit geraumer Zeit gibt es Bestrebungen, das Bauwerk im Herzen Berlins wiederaufzubauen. Die Diskussion um die Rekonstruktion ist jedoch komplex und emotional aufgeladen – insbesondere nach der Veröffentlichung einer umstrittenen Vorstudie des Architekturbüros Schneider + Schumacher. Diese schlägt vor, den Entwurf Schinkels zugunsten moderner Anforderungen zu verändern, was auf heftigen Widerstand stößt.

Die Bauakademie – Ein Symbol der Architekturgeschichte

Die 1836 fertiggestellte Bauakademie war nicht nur eine Ausbildungsstätte für Architekten, sondern auch ein Zentrum für Innovation und Wissensaustausch im Bauwesen. Schinkels Entwurf – ein kubischer Backsteinbau mit vier identischen Fassaden – galt damals als visionär und beeinflusste sogar die Entwicklung der modernen Architektur, darunter die Chicago School. Doch genau diese Gleichförmigkeit aller Fassaden ist heute ein zentraler Streitpunkt. Kritiker der geplanten Änderungen argumentieren, dass diese architektonische Symmetrie ein wesentlicher Bestandteil des Schinkel’schen Entwurfs sei.

Nach jahrzehntelangem Stillstand beschloss der Deutsche Bundestag 2016 die Wiedererrichtung der Bauakademie und stellte dafür 62 Millionen Euro zur Verfügung. Auch eine Umfrage des Forsa-Instituts von 2022 zeigte, dass 67 Prozent der Bundesbürger eine originalgetreue Rekonstruktion bevorzugen. Doch trotz dieser breiten Zustimmung stößt der Plan immer wieder auf Widerstände – nicht zuletzt aufgrund der Vorstudie von Schneider + Schumacher, die die Machbarkeit einer getreuen Rekonstruktion in Frage stellt.

Die umstrittene Vorstudie von Schneider + Schumacher

Die im Sommer 2022 veröffentlichte Studie der Architekten Schneider + Schumacher stellt die Barrierefreiheit und Belichtung als zentrale Herausforderungen des Wiederaufbaus dar. Besonders die schmalen Fenster im oberen Stockwerk ließen laut der Studie keine ausreichende Belichtung zu, was nach heutigem Baurecht problematisch sei. Zudem sei es nicht möglich, das Gebäude originalgetreu wiederaufzubauen und gleichzeitig moderne Standards für Barrierefreiheit zu erfüllen.

Die Lösung, die von der Studie vorgeschlagen wird, sieht vor, dass drei der vier Fassaden originalgetreu rekonstruiert werden, während die vierte Seite eine moderne Öffnung erhalten soll, um den Anforderungen an Barrierefreiheit gerecht zu werden. Dieser Vorschlag stieß jedoch auf breite Kritik von Architekturbefürwortern, Bürgervereinen und der Errichtungsstiftung Bauakademie, die betonen, dass die Gleichheit der vier Fassaden ein unverzichtbares Merkmal von Schinkels Entwurf ist.

Historische Authentizität vs. moderne Anforderungen

Die Diskussion über den Wiederaufbau der Bauakademie spiegelt eine größere, grundsätzliche Frage wider: Wie geht man mit historischen Gebäuden um, die modernen Anforderungen gerecht werden müssen? Barrierefreiheit und Nachhaltigkeit sind heute unverzichtbare Elemente jeder architektonischen Planung, aber muss dies auf Kosten der historischen Authentizität geschehen?

In den letzten Jahren gab es in Berlin mehrere erfolgreiche Projekte, bei denen historische Gebäude barrierefrei gestaltet wurden, ohne dass dabei wesentliche architektonische Merkmale verloren gingen. Bürgerinitiativen betonen, dass dies auch bei der Bauakademie möglich sei und die Barrierefreiheit keine unüberwindbare Hürde darstelle. Schließlich zeigen Projekte wie die Rekonstruktion des Berliner Schlosses, dass die Integration moderner Anforderungen in historische Gebäude umsetzbar ist.

Ein Bauwerk als Symbol gesellschaftlicher Werte

Die Bauakademie von Schinkel hat nicht nur architektonische Bedeutung. Sie ist auch ein Symbol für die Frage, wie wir als Gesellschaft mit unserem kulturellen Erbe umgehen. Sollte ein so wichtiges Bauwerk wie die Bauakademie unverändert rekonstruiert werden, um das historische Erbe zu bewahren? Oder muss es an die Anforderungen der Gegenwart angepasst werden, um zukunftsfähig zu bleiben?

Diese Frage hat auch politische Dimensionen. Die Berliner Landesregierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, dass der Wiederaufbau der Bauakademie zu den prioritären Projekten gehört. Die breite Unterstützung in der Bevölkerung und unter Fachleuten für eine originalgetreue Rekonstruktion zeigt, dass viele Menschen das Gebäude als Teil ihrer kulturellen Identität betrachten. Doch zugleich stehen die Forderungen nach modernen Anpassungen im Raum – ein Dilemma, das noch lange nicht gelöst ist.

Kompromiss zwischen Vergangenheit und Zukunft

Der Wiederaufbau der Bauakademie ist mehr als ein architektonisches Projekt. Es geht um die Frage, wie wir historische Gebäude in die moderne Stadtlandschaft integrieren können. Die Herausforderung besteht darin, einen Kompromiss zu finden, der sowohl dem historischen Wert des Gebäudes als auch den Anforderungen der Gegenwart gerecht wird.

Für die Architekten von Schneider + Schumacher stellt die Frage der Barrierefreiheit einen legitimen Punkt dar, doch Gegner der geplanten Änderung betonen, dass diese Forderungen durch kreative Lösungen erfüllt werden könnten, ohne den Charakter des Gebäudes zu gefährden. Eine vollständige Rekonstruktion der Bauakademie bleibt ein zentrales Anliegen vieler Bürger und Fachleute, die sich um den Erhalt von Schinkels Erbe bemühen.

Fazit: Eine Debatte, die weitergeht

Die Zukunft der Bauakademie bleibt ungewiss. Die Debatten um die Vorstudie von Schneider + Schumacher haben die Diskussion neu entfacht und zeigen, wie schwierig es ist, einen Kompromiss zwischen Vergangenheit und Moderne zu finden. Es bleibt abzuwarten, welche Lösung letztlich gewählt wird, doch eines ist sicher: Die Bauakademie wird weiterhin ein Prüfstein für den Umgang mit historischer Architektur und den Anforderungen der Gegenwart sein.