Baukunst-Ein Bad für 40 Jahre Wartezeit – Frankfurts kostspieliges Schwimmbad-Experiment
Frankfurt ©Jan-Philipp Thiele/Unsplash

Ein Bad für 40 Jahre Wartezeit – Frankfurts kostspieliges Schwimmbad-Experiment

25.05.2025
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Ignatz Wrobel

Bäderpoker an der Nidda: Frankfurts Main Bad Bornheim als Praxistest für regionale Infrastrukturpolitik

Nach mehr als 40 Jahren hat Frankfurt erstmals wieder ein neues Hallenbad eröffnet – ein Ereignis, das weit über die Grenzen Bornheims hinaus Beachtung verdient. Das am 24. Mai 2025 eröffnete Main Bad Bornheim dokumentiert exemplarisch, wie sich kommunale Infrastrukturpolitik in Zeiten explodierender Baukosten und verschärfter Nachhaltigkeitsansprüche bewähren muss.

Stuttgarter Kompetenz für Hessens Metropole

Dass die Stadt Frankfurt für ihr prestigeträchtiges Schwimmbadprojekt das Stuttgarter Büro 4a Architekten als Generalplaner verpflichtete, offenbart die regionalen Spezialisierungsstrukturen im deutschen Bäderbau. Die Schwaben haben sich über Jahre eine Expertise im komplexen Schwimmbadbau erarbeitet, die offenbar auch jenseits der Landesgrenzen gefragt ist. Diese überregionale Kompetenzverteilung wirft Fragen zur lokalen Planungskapazität im Rhein-Main-Gebiet auf.

Die 900 Quadratmeter Wasserfläche mit mehreren Erlebnisbecken und großer Saunalandschaft zeigen, wie sich die Ansprüche an moderne Bäderarchitektur gewandelt haben. Das Main Bad vereint Sport-, Erlebnis- und Wellnessfunktionen unter einem Dach – ein Programm, das regionalspezifische Planungserfahrung erfordert.

Kostenexplosion als regionaler Normalfall

Die Baugeschichte des Main Bad Bornheim liest sich wie ein Lehrstück für die Herausforderungen kommunaler Großprojekte. Ursprünglich für Ende 2023 geplant, eröffnete das Bad mit anderthalb Jahren Verspätung. ABG-Vorsitzender Frank Junker benennt die bekannten Faktoren: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und deren Folgen auf Weltwirtschaft, Energieversorgung und Baupreise seien „nicht absehbar“ gewesen.

Diese Argumentationslinie findet sich inzwischen in fast allen kommunalen Bauprojekten der Region wieder. Doch die spezielle Logistik-Herausforderung des Standorts am Ratsweg, wo Baustellenverkehr mit der Dippemess und Heimspielen der Löwen Frankfurt abgestimmt werden musste, zeigt auch die regionaltypischen Verdichtungsprobleme auf.

Die explodierenden Kosten – konkrete Zahlen nennt die Stadt nicht – spiegeln eine Entwicklung wider, die alle Kommunen der Rhein-Main-Region betrifft. Wenn selbst wohlhabende Städte wie Frankfurt bei Schwimmbadprojekten an ihre Grenzen stoßen, welche Perspektiven haben dann kleinere Gemeinden?

Energieeffizienz als regionale Notwendigkeit

Das nachhaltige Energiekonzept mit einer 150.000 Kilowattstunden produzierenden Photovoltaikanlage, einem Blockheizkraftwerk und Wärmerückgewinnungsanlagen dokumentiert den energetischen Standard, den neue Schwimmbäder heute erfüllen müssen. Besonders innovativ erscheint die vorbereitete Nutzung der Abwärme aus der benachbarten Eissporthalle – ein Ansatz, der die Vorteile kompakter Sportinfrastruktur nutzt.

Diese Energiestrategie ist mehr als technische Innovation; sie reflektiert die Zwangslage kommunaler Betreiber angesichts steigender Energiekosten. Das Main Bad wird zum Testfall, ob sich hocheffiziente Bäder auch wirtschaftlich betreiben lassen.

Demografische Realitäten und Planungsparadoxien

Die funktionale Ausstattung des Main Bad – ein 25-Meter-Schwimmbecken mit sechs Bahnen, ein Drei-Meter-Sprungturm, ein Lernschwimmbecken und verschiedene Erlebnisbereiche – dokumentiert den Spagat zwischen sportlicher Funktionalität und Freizeitorientierung. Die 60 Meter lange Glasfront, die auf 15 Metern geöffnet werden kann, schafft das gewünschte „Freibad-Feeling“.

Doch diese Ausstattung steht im Spannungsfeld zur demografischen Entwicklung der Region. Während die Bevölkerung altert, setzt Frankfurt auf erlebnisorientierte Familienangebote. Diese Prioritätensetzung mag kurz- und mittelfristig aufgehen, wirft aber Fragen zur langfristigen Bedarfsentwicklung auf.

Regionale Bäderstrategie zwischen Tradition und Transformation

Das Ende April 2025 geschlossene Panoramabad Bornheim war 1970 eröffnet und 1990 zum Erlebnisbad umgebaut worden. Nach 55 Jahren Betriebszeit dokumentiert es die Lebensdauer kommunaler Schwimmbäder. Die geplante Wohnbebauung auf dem Panoramabad-Gelände zeigt, wie die Stadt Frankfurt knappe Flächenressourcen mehrfach nutzt.

Mit dem für 2027 geplanten Neubau des Rebstockbads, das mit 2.000 Quadratmetern Wasserfläche doppelt so groß werden soll, verfolgt Frankfurt eine ambitionierte Bäderstrategie. Diese Investitionsoffensive steht jedoch im Kontrast zu den Problemen kleinerer Gemeinden, die ihre bestehenden Bäder kaum noch finanzieren können.

Interkommunale Solidarität als ungenutztes Potenzial

Das Main Bad Bornheim verdeutlicht ein strukturelles Problem der Rhein-Main-Region: Während Frankfurt in neue Schwimmbäder investiert, schließen umliegende Gemeinden ihre Bäder aus Kostengründen. Eine regionale Bäderplanung, die Standorte und Kosten vernünftig verteilt, existiert nicht.

Die Öffnungszeiten von montags bis freitags 6.30 bis 22 Uhr und am Wochenende 8 bis 22 Uhr mit einem Eintrittspreis von 7 Euro für drei Stunden machen das Bad auch für Pendler aus dem Umland attraktiv. Doch eine formelle interkommunale Finanzierung fehlt.

Planungskultur zwischen Pragmatismus und Perfektion

Die Architektur des 4a-Büros zeigt einen sachlichen, aber durchaus eleganten Ansatz. Die großzügigen Glasfronten und die funktionale Gliederung in Sport- und Erlebnisbereich dokumentieren eine Planungskultur, die technische Effizienz mit räumlicher Qualität verbindet. Dass dabei auf spektakuläre Gesten verzichtet wurde, spricht für architektonische Vernunft.

Die viertheilige Saunalandschaft im Obergeschoss mit Dampfbad und Ruhezonen zeigt, wie sich Wellness-Ansprüche auch in kommunalen Bädern durchsetzen. Diese Programmierung entspricht den Erwartungen einer zahlungskräftigen Mittelschicht, vernachlässigt aber möglicherweise die Bedürfnisse einkommensschwächerer Nutzergruppen.

Fazit: Modellfall mit begrenzter Übertragbarkeit

Das Main Bad Bornheim ist zweifellos ein gelungenes Beispiel für moderne Bäderarchitektur. Die technische Ausstattung setzt Maßstäbe, die regionale Ausstrahlung besitzt. Doch die Realisierungsbedingungen – eine finanzkräftige Kommune, erfahrene Planerinnen und Planern, ein geeigneter Standort – sind nicht beliebig übertragbar.

Für andere Kommunen der Region bleibt das Main Bad daher eher Inspiration denn Vorbild. Die eigentliche Herausforderung liegt in der Entwicklung einer regionalen Bäderstrategie, die auch kleineren Gemeinden moderne Schwimmbäder ermöglicht. Das Main Bad Bornheim zeigt, was möglich ist – aber nicht, wie es finanzierbar wird.