Ein neues Kapitel: Die radikale Transformation der St.-Hedwigs-Kathedrale
Nach sechsjähriger Bauzeit wurde die St.-Hedwigs-Kathedrale, das Herzstück des Berliner Erzbistums, mit einem Festgottesdienst wiedereröffnet. Der Umbau, dessen Kosten sich auf rund 44,2 Millionen Euro belaufen, spiegelt die Herausforderungen einer Symbiose aus liturgischen Ansprüchen, architektonischen Visionen und Denkmalpflege wider. Doch die Veränderungen stoßen nicht nur auf Begeisterung.
Minimalismus trifft auf Geschichte
Die Neugestaltung durch das Büro Sichau & Walter in Zusammenarbeit mit Leo Zogmayer setzt auf radikalen Minimalismus: Ein zentraler Altar in Halbkugelform, umgeben von einer kreisförmigen Bestuhlung, bildet das Herzstück. Die Kuppeldecke mit ihrer Penrose-Parkettierung, inspiriert vom britischen Mathematiker Roger Penrose, verleiht dem Raum eine zeitlose Eleganz. Doch dieser ästhetische Purismus ging einher mit dem Verlust historischer Schichten, insbesondere der Gestaltung des Nachkriegsarchitekten Hans Schwippert, die eine Verbindung zwischen Ost- und Westdeutschland symbolisierte.
Zwischen Himmel und Erde: Eine Glaubensachse
Die vertikale Achse der Kathedrale zieht sich von der Krypta bis zur Kuppelspitze. Der Altar, das Taufbecken und die Öffnung in der Kuppelspitze bilden eine symbolische Verbindung von Glauben, Taufe und Hoffnung auf das Jenseits. Doch dieser spirituelle Ansatz polarisiert: Während einige den lichten Raum als Einladung an alle interpretieren, kritisieren andere den Verlust emotionaler und liturgischer Tiefe.
Die Kontroverse um den Umbau
Der Umbau hat Wellen geschlagen. Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger, sowie Befürworter Schwipperts, kritisierten die Zerstörung einer bedeutenden Nachkriegsarchitektur. Die Kirche setzte jedoch auf ihr Selbstorganisationsrecht, was den Konflikt verschärfte. Kritiker sprechen von einer „Auslöschung“ – Befürworter preisen die klare Ästhetik, die auch kirchenfernes Publikum anzieht.
Herausforderungen für die Liturgie
Die neue Gestaltung verlangt ein hohes Maß an Präsenz und Charisma von den Predigern. Wo der Raum Nähe suggeriert, bleibt dennoch die Frage, ob die Gemeinde sich wirklich eingebunden fühlt. Der künftige Erfolg wird sich daran messen, wie die Kirche mit diesen Anforderungen umgeht.
Ein Blick in die Zukunft
Architekten Sichau-Walter mit Künstler Leo Zogmayer äußerten die Hoffnung, dass die St.-Hedwigs-Kathedrale als Vorbild für liturgische Räume diene. Doch bleibt abzuwarten, ob dieser radikale Ansatz in Zukunft Bestand hat. Wie schon zuvor wird die Kathedrale ein Ort des Dialogs – zwischen Geschichte, Ästhetik und Spiritualität.