Baukunst-Architektonische Wasserwelten: Hessens verborgene Badeschätze
Königstein: ©Depositphotos

Hessens verborgene Badeschätze

20.08.2024
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stu.ART

Hessische Badekultur im Wandel der Zeit: Von historischen Perlen zu modernen Erlebniswelten

Hessens Schwimmbäder sind mehr als nur Orte zum Planschen und Schwimmen. Sie spiegeln die architektonische Entwicklung und den gesellschaftlichen Wandel der letzten hundert Jahre wider. Von nostalgischen Freibädern bis hin zu futuristischen Wellnesstempeln bietet das Bundesland eine beeindruckende Vielfalt an Badeeinrichtungen, die sowohl funktional als auch ästhetisch überzeugen.

Ein Juwel der Bäderarchitektur findet sich im idyllischen Taunus: Das Freibad im Woogtal in Königstein. Dieses Bad, das 2024 sein 100-jähriges Bestehen feiert, ist ein Paradebeispiel für die gelungene Verbindung von historischer Substanz und zeitgemäßer Nutzung. Die ochsenblutroten Holzpavillons mit den charakteristischen weißen Akzenten erinnern an die Anfänge des Bades in den 1920er Jahren und verleihen ihm einen unverwechselbaren Charme.

Die Schwimmmeisterin und der Schwimmmeister des Woogtalbades, Robert Tews und Marcus Oberlininger, betonen die Bedeutung der architektonischen Details für die Atmosphäre des Bades. „Die rekonstruierten Kabinen im Stil des ursprünglichen Schwimm- und Luftbades tragen wesentlich zum besonderen Flair bei“, erklärt Tews. Die geschwungene Form des Nichtschwimmerbeckens, die bei einer Umgestaltung 1991 entstand, fügt sich harmonisch in das Gesamtbild ein.

Besonders bemerkenswert ist die Sprunganlage, die ebenfalls 1991 installiert wurde. Sie wurde so in das bestehende Becken integriert, dass dessen Länge und Breite unverändert blieben – ein Beispiel für gelungene architektonische Anpassung. Die Tiefe des Beckens wurde auf 3,80 Meter erhöht, um den Anforderungen moderner Sprunganlagen gerecht zu werden.

Die Geschichte des Bades ist eng mit der Stadt Königstein verwoben. Lili Mannheimer, eine jüdische Mäzenin, spendete 1923 das Geld für den Bau – aus Dankbarkeit für eine erfolgreiche Behandlung im örtlichen Sanatorium. Diese Verbindung von Heilbad-Tradition und öffentlichem Schwimmbad ist charakteristisch für viele hessische Bäder der Zwischenkriegszeit.

Doch Hessen hat weit mehr zu bieten als nur historische Bäder. Moderne Erlebnisbäder wie das monte mare in Obertshausen setzen neue Maßstäbe in Sachen Architektur und Badeerlebnis. Hier verschmelzen Wasser und Raum zu einer einzigartigen Erlebniswelt. Thematisch gestaltete Bereiche, Rutschen und Wellnesszonen bilden ein architektonisches Gesamtkunstwerk, das alle Sinne anspricht.

Die Sieben-Welten-Therme in Bad Endbach geht noch einen Schritt weiter. Hier werden Badegäste und Badegästinnen auf eine architektonische Weltreise geschickt. Jeder Bereich repräsentiert einen Kontinent und greift dessen kulturelle und architektonische Besonderheiten auf. Von der afrikanischen Baumhaussauna bis zum arabischen Hamam-Bad – die Architektur wird hier zum Erlebnis.

Auch das Lagunenbad in Hessen setzt auf eine Verbindung von Natur und Architektur. Hier verschmelzen organische Formen mit modernster Badetechnik zu einer harmonischen Einheit. Die Architektur nimmt die Bewegung des Wassers auf und setzt sie in fließende Raumstrukturen um.

Der Trend geht eindeutig in Richtung multifunktionaler Badelandschaften. „Moderne Bäder müssen mehr bieten als nur Schwimmbecken“, erklärt die Architektin und der Architekt Dr. Petra Müller. „Sie sind Orte der Begegnung, der Entspannung und des aktiven Erlebens. Die Architektur muss all diese Aspekte berücksichtigen und gleichzeitig ökologisch nachhaltig sein.“

Nachhaltigkeit ist in der Tat ein zentrales Thema der modernen Bäderarchitektur. Energieeffizienz, Wasseraufbereitung und die Verwendung umweltfreundlicher Materialien spielen eine immer größere Rolle. Das Freibad im Woogtal geht hier mit gutem Beispiel voran: Eine solargeheizter Anlage sorgt für angenehme Wassertemperaturen, während eine Abdeckplane das Nichtschwimmerbecken nachts vor Wärmeverlust schützt.

Die Zukunft der Bäderarchitektur in Hessen verspricht spannend zu werden. Der Spagat zwischen Tradition und Innovation, zwischen Funktionalität und Ästhetik, zwischen Individualität und Massentauglichkeit wird die Architektinnen und Architekten weiterhin herausfordern. Eines ist jedoch sicher: Hessens Schwimmbäder werden auch in Zukunft mehr sein als nur Orte zum Schwimmen. Sie werden Oasen der Erholung, Kathedralen des Wassersports und Spielplätze der Architektur sein.

Das 100-jährige Jubiläum des Freibads im Woogtal ist ein willkommener Anlass, um über die Bedeutung von Schwimmbädern für unsere Gesellschaft nachzudenken. Sie sind nicht nur Orte der körperlichen Ertüchtigung, sondern auch soziale Treffpunkte und architektonische Aushängeschilder ihrer Städte und Gemeinden. In einer Zeit, in der viele öffentliche Bäder aus Kostengründen von Schließung bedroht sind, ist es wichtiger denn je, den Wert dieser Einrichtungen zu erkennen und zu bewahren.

Die Vielfalt der hessischen Bäderlandschaft – vom nostalgischen Freibad bis zum futuristischen Erlebnisbad – ist ein Schatz, den es zu pflegen gilt. Sie ist Ausdruck unserer Kultur, unserer Geschichte und unserer Visionen für die Zukunft. Jedes Bad erzählt seine eigene Geschichte, jede Architektur lädt ein zum Entdecken und Erleben. In diesem Sinne sind Hessens Schwimmbäder weit mehr als nur Orte zum Baden – sie sind architektonische Zeitreisen, die uns eintauchen lassen in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Badens.