Baukunst-Oper auf Nazi-Gelände: Nürnbergs riskantes Kulturprojekt!
©Jonathan Wolf/Unsplash

Oper auf Nazi-Gelände: Nürnbergs riskantes Kulturprojekt!

20.08.2024
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stu.ART

Ein modernes Opernhaus auf historischem Boden

Die Entscheidung, das Nürnberger Staatstheater während der Sanierung seines Opernhauses auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände unterzubringen, wirft ein Licht auf die komplexe Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Das Gelände, einst Symbol nationalsozialistischer Größenwahnarchitektur, wird nun zum Ort der Kultur und des Dialogs transformiert.

Der Hintergrund des Projekts

Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist tief in die deutsche Geschichte eingebettet. Die monumentalen Strukturen, die hier einst errichtet wurden, sollten Macht und Ewigkeit symbolisieren. Heute jedoch wird dieser Ort, insbesondere die Kongresshalle, in einen Raum für die Künste umgewandelt. Es ist eine symbolträchtige Transformation: Aus dem Schatten der Geschichte wächst eine neue kulturelle Blüte.

Die Entscheidung, die Interims-Spielstätte für die Oper und das Ballett des Nürnberger Staatstheaters hier anzusiedeln, ist sowohl pragmatisch als auch symbolisch. Während der langwierigen Sanierung des Opernhauses am Richard-Wagner-Platz bietet das Reichsparteitagsgelände den notwendigen Raum für eine moderne, temporäre Bühne. Geplant ist die Fertigstellung für das Jahr 2027, mit ersten Aufführungen im Jahr 2028.

Architektonische Umsetzung und Konzeption

Verantwortlich für das Projekt ist das Bauunternehmen Georg Reisch aus Saulgau und das Architekturbüro LRO aus Stuttgart, die bereits mit dem Bau des Münchner Volkstheaters ihre Expertise bewiesen haben. Ihr Konzept für die neue Spielstätte in Nürnberg sieht einen bewussten Kontrast zur massiven Architektur der NS-Zeit vor. Der Neubau soll sich harmonisch in die bestehende Struktur der Kongresshalle einfügen, ohne eine eigene architektonische Dominanz zu beanspruchen.

Besonders interessant ist die geplante Begrünung des Baus mit Efeu und wildem Wein, die den Bau optisch in die Umgebung einbettet und ihn gleichzeitig von der dominanten Architektur der NS-Zeit abgrenzt. Diese grüne Hülle steht symbolisch für die Überwindung einer dunklen Vergangenheit durch die Kultur.

Finanzieller und politischer Rahmen

Die Gesamtkosten des Projekts werden auf etwa 296 Millionen Euro geschätzt. Im Vergleich zu anderen Projekten ähnlicher Größenordnung, wie etwa dem Münchner Volkstheater, gelten diese Kosten als realistisch und machbar. Es ist bemerkenswert, dass der Bau des Münchner Volkstheaters termingerecht und ohne Kostensteigerungen abgeschlossen wurde—ein Vorbild, das auch in Nürnberg verfolgt wird.

Die Entscheidung für dieses Projekt wurde vom Nürnberger Stadtrat in nicht öffentlicher Sitzung getroffen, was zeigt, dass es nicht nur um architektonische und kulturelle Aspekte geht, sondern auch um politische Verantwortung und die Notwendigkeit, die Vergangenheit kritisch zu reflektieren.

Bedeutung und Ausblick

Die temporäre Nutzung des Reichsparteitagsgeländes als Opernhaus ist mehr als nur eine pragmatische Lösung für ein bauliches Problem. Es ist ein Schritt hin zu einer neuen Art der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Während die massive Architektur des Nationalsozialismus einst eine klare Machtdemonstration war, wird sie nun von einer leisen, aber kraftvollen Transformation überschattet.

Die geplante Nutzung des Geländes für mindestens 25 Jahre bietet auch der freien Kulturszene in Nürnberg langfristige Perspektiven. Dies zeigt, dass das Gelände nicht nur als Ort der Vergangenheit, sondern auch als Plattform für die Zukunft verstanden wird. Die Verbindung von Geschichte und Gegenwart, von Architektur und Kultur, macht dieses Projekt zu einem einzigartigen Beispiel für die Kraft der Transformation.

Mit der Fertigstellung der neuen Spielstätte wird Nürnberg ein weiteres Kapitel in seiner reichen Geschichte hinzufügen—eines, das zeigt, wie aus den Ruinen der Vergangenheit eine neue, positive Zukunft erwachsen kann.