Österreichs stiller Kampf um jeden Quadratmeter
Die Zahlen sind ernüchternd: Täglich verschwinden in Österreich etwa zwölf Hektar fruchtbarer Boden unter Asphalt und Beton – das entspricht der Fläche von 17 Fußballfeldern. Eine neue Analyse des WWF mittels hochpräziser Satellitendaten offenbart nun: Die tatsächliche Versiegelung in den 15 größten österreichischen Städten übersteigt die bisherigen Schätzungen um dramatische 35 Prozent.
Die Betonwüste wächst
Besonders alarmierend zeigt sich die Situation in St. Pölten. Die niederösterreichische Landeshauptstadt führt mit 308 versiegelten Quadratmetern pro Einwohnerin und Einwohner das unrühmliche Ranking an. „Alleine für Straßen sind hier 105 Quadratmeter pro Kopf zubetoniert“, erläutert Simon Pories, Bodenschutzsprecher des WWF. Die geplante Traisental-Schnellstraße würde diese Bilanz weiter verschlechtern.
Wien – dichter als gedacht
Selbst die vermeintlich effizient genutzte Bundeshauptstadt überrascht: Mit 79 versiegelten Quadratmetern pro Person liegt Wien zwar am unteren Ende des Rankings, übertrifft aber die bisherigen Annahmen von 57 Quadratmetern deutlich. Als Millionenstadt nimmt Wien dabei eine Sonderstellung ein – mit einem Versiegelungsgrad von 37 Prozent der Gesamtfläche markiert sie dennoch einen Höchstwert.
Die versteckten Kosten der Versiegelung
Als Architekt mit jahrzehntelanger Erfahrung sehe ich die Entwicklung mit Sorge. Versiegelte Flächen schaffen im urbanen Raum massive Probleme: Sie verhindern die natürliche Wasserspeicherung, heizen sich im Sommer stark auf und tragen zur Bildung von städtischen Hitzeinseln bei. Die nächtliche Abkühlung wird zunehmend erschwert – ein Teufelskreis, der die Lebensqualität der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner merklich mindert.
Lösungsansätze für die Zukunft
Die Herausforderung liegt in der Balance zwischen notwendiger urbaner Entwicklung und ökologischer Verantwortung. Innovative Architekturkonzepte wie begrünte Dächer, wasserdurchlässige Beläge und vertikale Gärten bieten vielversprechende Ansätze. Besonders wichtig erscheint die Nachverdichtung bestehender Strukturen anstelle weiterer Flächenversiegelung.
Fazit: Zeit zum Umdenken
Der aktuelle Flächenverbrauch in Österreich liegt mit zwölf Hektar pro Tag fast fünfmal höher als das 2002 gesetzte Nachhaltigkeitsziel von 2,5 Hektar. Die neue WWF-Studie macht deutlich: Die Zeit für kosmetische Korrekturen ist vorbei. Gefragt sind nun mutige politische Entscheidungen und innovative architektonische Lösungen, die den Bodenschutz ernst nehmen. Denn eines ist klar: Einmal versiegelte Flächen lassen sich nur mit enormem Aufwand renaturieren.
Die Stadtplanung der Zukunft muss den Spagat zwischen verdichtetem Bauen und großzügigen Grünflächen meistern. Nur so können lebenswerte Städte entstehen, die sowohl den Bedürfnissen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner als auch den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht werden.