
Venedig 2025: Wo Wasser und Architektur Intelligenz demonstrieren
Liebe Kollegin, lieber Kollege
Venedig entwickelt sich seit Jahrzehnten als einzigartiger Schauplatz architektonischer Diskurse. Ab Mai 2025 rückt die Lagunenstadt erneut ins internationale Rampenlicht, wenn die 19. Architekturbiennale unter dem vielversprechenden Motto „Intelligens. Natural. Artificial. Collective.“ ihre Tore öffnet.
Die Geschichte der Architekturbiennale nahm 1991 eine entscheidende Wendung, als der damalige Direktor Francesco Dal Co, inspiriert durch die etablierte Kunstbiennale, das Konzept der nationalen Pavillons einführte. Seither erleben die Giardini eine bemerkenswerte Expansion. Nach dem koreanischen Pavillon (1995) und dem minimalistischen schwarzen Quader Australiens (2015) von Denton Corker Marshall wird 2025 Katar als 31. Nation mit einem permanenten Pavillon vertreten sein.
Diese Neuzugänge offenbaren jedoch auch kritische Hierarchien im globalen Architekturgeschehen: Während ressourcenstarke Golfstaaten Zugang zum prestigeträchtigen Kerngelände erhalten, müssen Vertreterinnen und Vertreter des Globalen Südens wie Ghana oder Südafrika mit angemieteten Palazzi oder Räumen im Arsenalevorliebnehmen. Die geographische Verteilung spiegelt so weltpolitische Machtstrukturen wider – ein Aspekt, der in der Architekturwelt durchaus kritische Betrachtung verdient.
Besondere Aufmerksamkeit wird 2025 der temporären Dezentralisierung des italienischen Pavillons zukommen. Während dieser renoviert wird, kuratiert Guendalina Salimei die Ausstellung „TERRÆ AQUÆ. Italy and the Intelligence of the Sea“ an verschiedenen Orten innerhalb Venedigs. Die Stadt selbst transformiert sich dadurch zum erweiterten Ausstellungsraum – eine konzeptionell reizvolle Antwort auf räumliche Beschränkungen.
Der neue Kurator Carlo Ratti betonte bei der Pressekonferenz: „Die Biennale ist kein Ziel, sondern ein Katalysator. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit.“ Diese Aussage verdeutlicht den Charakter der Biennale als Impulsgeber für nachhaltige architektonische Entwicklungen – weit über die temporäre Ausstellung hinaus.
Auch die deutschen Kuratorinnen präsentierten im kalten Berlin erste Einblicke in ihren Beitrag, der die Überhitzung der Metropolen thematisiert. Fachkennerinnen und Fachkenner erkennen hier mögliche Parallelen zur wegweisenden „Reduce, Reuse, Recycle“-Ausstellung von Muck Petzet (2012), die den architektonischen Diskurs maßgeblich beeinflusste.
Die Architekturbiennale 2025 verspricht innovative Lösungsansätze für drängende Herausforderungen. Ein besonders augenzwinkerndes Beispiel: Das „Canal Café“ – eine dezentrale Filteranlage, die Kanalwasser so aufbereitet, dass es für die Espresso-Zubereitung genutzt werden kann. Solche unkonventionellen Konzepteveranschaulichen die Verbindung von natürlicher und künstlicher Intelligenz, die das Kernthema der kommenden Biennale bildet.
Ab dem 12. Mai 2025 wird Venedig erneut zur Bühne für die internationale Architekturgemeinschaft. Die 19. Architekturbiennale unter Rattis Leitung könnte sich als eine der richtungsweisendsten der vergangenen Jahrzehnte erweisen – und Architektinnen und Architekten weltweit werden die dort präsentierten Ideen in ihre tägliche Praxisintegrieren.
Gerade in Zeiten klimatischer Herausforderungen und technologischer Umbrüche bedarf es solcher Plattformen, die intellektuellen Austausch fördern und visionäre Konzepte präsentieren. Die Lagunenstadt – selbst ein lebendiges Beispiel für die jahrhundertelange Koexistenz von Mensch, Wasser und gebauter Umwelt – bietet dafür den perfekten Resonanzraum.
Herzlichst
Ihr Stuart Stadler
P.S.: Save The Date! Spätestens Ende Oktober haben Sie als zukünftiges Mitglied des Baukunst-Fördervereins die Möglichkeit, sich vor Ort mit Gleichgesinnten über die weltweit größte Architekturausstellung auszutauschen. Details hierzu erfahren Sie in einer der nächsten Ausgaben.

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